Malory
wäre sie auch mit ihrer Verkleidung durchgekommen, wenn James sie nicht schon früher getroffen hätte. Aber das war ja nun der Fall und er hatte diesen Abend nicht vergessen. Im Gegenteil, er erinnerte sich sogar äußerst intensiv daran; ihr süßer kleiner Hintern, der ihn so fasziniert hatte, und ihre zarte Brust, die so wunderbar in seiner Hand geruht hatte. Sie hatte ausgesprochen schöne Gesichtszüge: der edle Schwung ihrer Wangenkno-chen, die kecke kleine Nase, die vollen, sinnlichen Lippen.
Ihre Augenbrauen hatte er nicht sehen können, ebensowenig wie ihr Haar. In den kurzen Momenten jedoch, als sie vor der Taverne zu ihm hochgeblickt hatte, war er in ihren samtbraunen Augen fast ertrunken.
Nicht nur einmal, sondern dutzendemale war er zu dieser Taverne zurückgekehrt, in der Hoffnung, sie zu finden. Jetzt dämmerte ihm langsam, warum er damals kein Glück gehabt hatte. Niemand hatte ihm über dieses seltsame Paar Auskunft geben können, weil sie scheinbar nie zuvor in dieser Gegend gewesen waren. Wahrscheinlich kamen sie aus der Karibik und befanden sich nun auf dem Nachhauseweg.
MacDonell war zweifellos ein Schotte, aber die Kleine auf keinen Fall. James konnte ihren Dialekt zwar nicht genau bestimmen, aber daß es kein englischer war, stand für ihn zweifelsfrei fest.
Sie war ein Rätsel, zugegeben, aber eines, daß er entschlüsseln würde. Aber zunächst einmal wollte er sich mit ihrem Geheimnis noch ein wenig amüsieren. Gleich nachher würde er sie in seine Kabine einquartieren und ihr erzählen, daß sein alter Kabinenjunge immer dort geschlafen hatte. Natürlich bestand die Möglichkeit, daß sie sich an ihr Zusammentreffen erinnern würde, aber das war nicht weiter von Bedeutung. Er selbst würde sich jedenfalls nicht anmerken lassen, daß er sie erkannt hatte. Noch bevor diese Reise zu Ende gehen würde, dessen war er sich ganz sicher, würde sie nicht nur die Kabine mit ihm teilen - sondern auch sein Bett.
10. Ka pitel
Die Kombüse war, weiß Gott, nicht der idealste Ort, um sich zu verstecken; schon gar nicht während eines so brütend heißen Sommertages, an dem sich kein Lüftchen regte. Wenn sie erst mal draußen auf dem offenen Meer waren, würde es schon besser werden. Aber hier zwischen den riesigen Stein-
öfen, die schon seit den frühen Morgenstunden brannten und den großen Kochtöpfen, die unentwegt dicke Dampf-wolken ausstießen, fühlte man sich wie am Eingang zur Höl-le. Der Koch und seine beiden Gehilfen hatten bereits einen Großteil ihrer Kleidung abgelegt. Neben der drückenden Hitze herrschte um diese Uhrzeit ein ständiges Kommen und Gehen, denn wegen der beengten Räumlichkeiten konnten die Männer immer nur nacheinander ihr schnelles Früh-stück einnehmen. Viel Zeit blieb ihnen dafür nicht, denn beim Ablegen des Schiffes wurde jeder Mann gebraucht. Georgina hatte eine Weile an der Reeling gestanden und zuge-sehen, wie die letzten Ausrüstungsteile und Vorräte in den Frachträumen und der Kombüse verstaut wurden. Für sie war dies ein gewohnter Anblick, der ihre Aufmerksamkeit nicht lange fesseln konnte. Außerdem hatte sie von England endgültig die Nase voll und wollte nichts mehr davon hören und sehen.
Aus diesem Grunde verdrückte sie sich in die Küche und blieb, in eine Ecke zwischen Fässern und Tonnen, Säcken voller Getreide und Mehl gequetscht, still auf einem Hocker sitzen, um niemandem im Weg herumzustehen oder unnöti-ge Aufmerksamkeit zu erregen.
Wenn es nicht so unerträglich heiß gewesen wäre, hätte es Georgina hier unten sogar richtig gefallen, denn eine so piksaubere Kombüse hatte sie noch nie auf einem Schiff gesehen. Kein Wunder, denn der Kahn war erst kürzlich von oben bis unten frisch renoviert worden, wie man ihr erzählt hatte.
Zwischen den Ofen stand ein riesiger Holzkasten, der bis zum Rand mit Kohlen gefüllt war. Der lange Tisch in der Mitte des Raumes sah noch ziemlich neu aus und daneben stand der Hackstock, der schon auf das Blut eines der zahlreichen Tiere zu warten schien, die man in einen der Laderäume gepfercht hatte, um während der ganzen Reise frisches Schlachtvieh zu haben. Die Kombüse war vollgestopft wie jede andere Schiffsküche auch; von der Decke baumel-ten Töpfe, Pfannen und dicke Bündel von Gewürzen herunter, aber alles Gerät war sorgfältig an Boden, Wänden oder Decke festgezurrt.
Der Herrscher in diesem Reich war ein schwarzhaariger Ire mit dem zweifelhaften Namen Shawn O'Shawn, der Georgie
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