Malory
und bot mir seine Dienste an. Eine hartnäckigeren Schotten hab ich noch nie erlebt.«
»Schon wieder ein Schotte? Als wenn ich in letzter Zeit nicht genug mit denen am Hut gehabt hätte. Erst die Jagd nach Lady Roslynns Vetter, dann der Zusammenstoß mit dieser kleinen Wildkatze und ihrem Begleiter ...«
»Ich dachte, das sei vergessen?«
James warf ihm einen finsteren Blick zu und überging die Bemerkung. »Woher willst du denn wissen, daß dieser Schotte überhaupt was vom Segeln versteht?«
»Ich hab ihn auf Herz und Nieren geprüft und würde meinen, daß er den Job nicht zum ersten Mal macht. Er sagt, daß er früher als Quartiermeister, Zimmermann und als Bootsmann zur See gefahren ist.«
»Wenn das stimmt, dann kommt er uns natürlich wie gerufen. Gut so. Sonst noch was?«
»Johnny hat geheiratet.«
»Johnny? Doch nicht mein Kabinenjunge Johnny? Er ist doch erst fünfzehn. Was zum Teufel hat er sich denn dabei gedacht?«
Connie erklärte achselzuckend: »Sagt, er hat sich verliebt und kann seine junge Frau nicht allein zurücklassen.«
»Junge Frau?« spöttelte James. »Dieser hochnäsige Rotzlöffel braucht 'ne Mutter, keine Frau.« James' Kopf begann wieder zu dröhnen und er kippte den Rest der Medizin hinunter.
»Ich hab' schon einen anderen Kabinenjungen gefunden.
McDonells Bruder ...«
Als James diesen Namen hörte, blieb ihm glatt der Schluck im Halse stecken. Hustend und keuchend spuckte er die halbe Medizin über den Schreibtisch. »Wer?«
»Ruhig Blut, James. Was ist denn in dich gefahren?«
»MacDonell sagtest du? Heißt er mit Vornamen vielleicht Ian?«
»Ja, warum?« Nun machte Connie ein dummes Gesicht.
»Großer Gott, er ist doch nicht etwa der Schotte aus dieser Taverne?«
James überging diese Frage. »Hast du dir seinen Bruder genauer angesehen?«
»Eigentlich nicht, wenn ich's mir recht überlege. Es war so ein kleiner Kerl, ziemlich ruhig, der sich immer hinter den Rockschößen seines Bruders verborgen hielt. Was blieb mir denn anderes übrig, als ihn anzuheuern, nachdem mir Johnny erst vor zwei Tagen mitgeteilt hatte, daß er in England bleiben werde? Aber du willst doch etwa nicht andeuten ...«
»Allerdings«, gab James zurück und brach in schallendes Gelächter aus. »Mensch Connie, das ist ja 'ne Wucht. Immer wieder hab ich nach der kleinen Dirne Ausschau gehalten, aber sie und ihr Schotte waren wie vom Erdboden verschluckt. Und jetzt fällt sie mir buchstäblich in den Schoß.«
»Sieht so aus, als würde diese Überfahrt ganz amüsant für dich werden«, schmunzelte Connie.
»Darauf kannst du Gift nehmen«, erwiderte James übermütig und verzog sein Gesicht zu einem teuflischen Grinsen.
»Aber wir wollen sie natürlich nicht sofort demaskieren. Erst möchte ich noch ein klein wenig meinen Spaß mit ihr treiben.«
»Vielleicht täuschst du dich. Es könnte doch tatsächlich ein Bursche dahinterstecken.«
»Das möchte ich bezweifeln«, gab James selbstsicher zu-rück. »Aber das werde ich spätestens dann herausfinden, wenn sie mit der Arbeit beginnt.«
Als Connie gegangen war, ließ sich James in einen bequemen Polstersuhl sinken und freute sich schelmisch über den unglaublichen Zufall, der ihm dieses Mädel in die Hände gespielt hatte. Es hatten, weiß Gott, genug andere Schiffe im Hafen gelegen. Warum sie sich ausgerechnet sein Schiff hatten aussuchen müssen ... Connie sagte, sie hatten die Überfahrt zuerst bezahlen wollen, also mußten sie über Geld verfügen. Warum hatten sie sich dann kein anderes Schiff genommen? Er wußte allein von zwei englischen Schiffen, die in nächster Zeit mit Kurs auf die Westindischen Inseln ablegen würden, eines davon war sogar speziell für Passagiere ausgerüstet. Warum also die Verkleidung und das Risiko, daß man sie entlarven könnte? War es denn überhaupt eine Verkleidung? Himmel, als er sie das letzte Mal gesehen hatte, war sie genauso angezogen gewesen. Vielleicht läuft sie immer in so einem Aufzug herum? Aber sie war doch so entsetzt gewesen, als Tony lauthals verkündet hatte, daß sie eine Frau sei, und kein Bursche. Also mußte sie schon damals versucht haben, ihr Geschlecht zu verbergen - genau wie dieses Mal.
Sein Kabinenjunge. Die hat vielleicht Nerven! James schüttelte verwundert den Kopf.
Höchst interessant zu beobachten, wie sie sich dabei anstellen würde. Eine schummrige Taverne ist eine Sache, aber ein Schiff am hellichten Tag? Zumindest hatte sie Connie täuschen können. Vielleicht
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