Malory
oder Anfang vierzig, obwohl das schwer zu sagen war, denn er trug einen dichten schwarzen Bart, der so verfilzt war, dass er wohl noch nie mit einem Kamm in Berührung gekommen war. Der Mann wurde Pierre Lacross genannt, doch mögli-cherweise war er kein echter Franzose. Viele der Piraten taten ja, als seien sie jemand anders, und nicht ein Einziger benutzte seinen wahren Namen. Doch dann fand Gabrielle heraus, dass Pierre Lacross die Ausnahme von der Regel war. Er war tatsächlich Franzose. Er konnte seinen starken Akzent nicht einfach an– und abschalten wie die anderen. Hässlich war er nicht, doch das grausame Glitzern in den blauen Augen ver-unstaltete sein Gesicht, das sonst durchaus attraktiv gewesen wäre.
Der Mann hatte etwas Böses an sich und Gabrielle war nicht die Einzige, die das bemerkte. Die anderen Männer gingen ihm aus dem Weg und vermieden es, seinen Blick auf sich zu ziehen. Doch immer wieder wanderten seine eisigen blauen Augen zu Gabrielle hin, und das jagte ihr so viel Angst ein, dass sie beinahe zitterte.
Als Gabrielle England verlassen hatte, war sie in Bezug auf Männer völlig unschuldig gewesen. Ihre Mutter hatte ihr nie erklärt, was sie zu erwarten hatte, wenn sie heiratete. Vermutlich hätte sie es getan, ehe sie Gabrielle in die Londoner Gesellschaft einführte, doch dann ging Carla völlig in ihrer Ro-manze mit Albert auf, und am Ende, als Albert sie verlassen hatte, war sie nur noch mit ihrem Elend beschäftigt. Von den Piraten hatte Gabrielle allerdings eine Menge über Männer gelernt.
Anstatt ihre Sprache zu zügeln, wenn sie in Hörweite war, liebten sie es, mit ihren sexuellen Großtaten zu prahlen. Daher machte Gabrielle sich keine Illusionen mehr darüber, was der widerliche Kapitän Pierre Lacross von ihr wollte, als er sich am Tag nach seiner Ankunft über sie beugte und sagte: »Ich werde dich meinem Freund abkaufen. Dann kann ich mit dir tun, was ich will.«
Sie wünschte, sie hätte nicht verstanden, was er damit an-deutete, doch dem war nicht so. Würde es Kapitän Brillaird gleichgültig sein, woher das Geld kam, solange er nur bezahlt wurde? Sollte sie es wagen, ihm mehr zu versprechen, als Pierre bieten konnte? Das schien ihr der einzige Weg zu sein, wie sie verhindern konnte, als »Sklavin« zu enden.
Weglaufen war unmöglich, denn selbst falls es ihr gelang, sich aus dem Haus zu stehlen, kam sie ohne die Piraten nicht von der Insel weg. Kapitän Brillaird blieb ihre einzige Rettung, gleichzeitig wusste sie, dass er ihr nicht aus lauter Her-zensgüte helfen würde. Hatte er überhaupt ein Herz? Er war ein Pirat! Ihm ging es nur ums Geld.
Doch instinktiv wusste sie, dass es ihr schlimm ergehen würde, falls Pierre seinen Willen bekam, deshalb fürchtete sie sich so sehr vor ihm. Unglücklicherweise wurde sie auch noch Zeugin seiner Grausamkeit, als er einen seiner Männer züchtigte. Er schlug den Mann direkt in der großen Halle, und nicht mit irgendeiner Peitsche. Die so genannte neunschwänzige Katze zerfetzte die Haut wie ein Messer. Und der Ausdruck in Pierres Augen, als er diese Peitsche schwang, bewies zweifelsfrei, dass es ihm Spaß machte.
Pierre wartete voller Ungeduld auf das Auftauchen ihres Kapitäns, damit er das Geschäft abschließen konnte. Unter-dessen setzte er sich neben sie an den Tisch und erzählte ihr höhnisch, was er mit ihr vorhatte.
»Warum siehst du mich nicht an, chérie? Ihr feinen Damen, ihr habt viel zu viel Stolz. Aber wenn ich mit dir fertig bin, wird davon nichts mehr übrig sein. Schau mich an!«
Gabrielle weigerte sich. Sie hatte seinen Blick vom ersten Tag an gemieden. »Gehen Sie bitte weg.«
Er lachte nur. »Ah, du bist also gut erzogen. Und höflich.
Ich frage mich, wie lange das wohl halten wird, wenn ich dich zu meinem Schoßhündchen gemacht habe. Wirst du ein gehorsames Hündchen sein, chérie, oder werde ich dich oft be-strafen müssen?« Als er den Laut des Entsetzens hörte, den sie nicht unterdrücken konnte, fuhr er fort: »Du hast gesehen, wozu ich fähig bin, aber mach dir keine Sorgen um deine hübsche zarte Haut. Deine Schönheit würde ich nie zerstören. Es gibt andere Wege, ein Hündchen gefügig zu machen ...«
Er bedrängte sie, doch er rührte sie nicht an. Darauf achtete er peinlich genau, denn es gab stets viele Zeugen im Raum.
Es war allerdings offensichtlich, dass er es gern getan hätte.
Dora erzählte ihr, die erzwungene Zurückhaltung frustriere ihn derart, dass er Nacht für Nacht
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