Malory
ausgegangen, Pierre nie wieder sehen zu müssen.
Doch nun stand er auf dem Deck der Crusty Jewel, direkt neben Nathan, und die zwei unterhielten sich wie alte Freunde. Ihr dämmerte, dass sie zumindest gute Bekannte sein mussten, da sie beide zu den fünf Kapitänen zählten, die sich die Basis teilten.
Pierres eisiger, gieriger Blick heftete sich augenblicklich auf sie, sodass sie wie angewurzelt auf den warmen Decksplanken stehen blieb. Wieder überwältigte sie die Angst. Sie musste wohl blass geworden sein, denn ihr Vater trat an ihre Seite und legte schützend den Arm um sie.
»Du bist viel zu eilig mit ihr davon gesegelt, mon ami«, Pierre gab sich keine Mühe, den Grund seines Kommens zu verhehlen. »Ich wollte sie auch kaufen.«
»Sie ist nicht zu verkaufen«, entgegnete Nathan.
»Natürlich ist sie das. Du hast Geld für sie gegeben und ich werde dir mehr geben. So machst du deinen Gewinn und wir sind beide zufrieden.«
»Du hast mich nicht richtig verstanden. Sie ist meine Tochter«, sagte Nathan kühl.
Pierre machte ein überraschtes Gesicht. Einen sehr gespannten, stummen Augenblick lang, in dem sein Blick zwischen Gabrielle und ihrem Vater hin– und herglitt, schien er die Lage zu überdenken. Offenbar erkannte er, dass er sie kampflos nicht bekommen würde, und entschloss sich zum Rückzug. Er lachte und nahm sein Pech so sanftmütig hin, wie es einem Mann wie ihm möglich war. Sein Tonfall überzeugte ihren Vater offenbar davon, dass Pierre eingesehen hatte, dass er sie nicht haben konnte, aber Gabrielle ließ sich nicht täuschen. Sie hatte das Gefühl, dass Pierre die Unterredung mit ihrem Vater lediglich für eine kurze Verzögerung hielt. Er segelte zwar davon, doch sie befürchtete sehr, ihn nicht zum letzten Mal gesehen zu haben.
Margery scheute sich nicht, ihr deutliches Missfallen am Gewerbe von Gabrielles Vaters kundzutun. Bei all den bösen Blicken, die sie ihm in den ersten Tagen zuwarf, sah Gabrielle sich bald gezwungen, ihn zu verteidigen. Schließlich war er ihr Vater. Dass er ein Pirat war, bedeutete nicht, dass sie aufhören konnte, ihn zu lieben.
Sie und Nathan fanden erst Zeit zum Reden, nachdem sie seinen Heimathafen auf St. Kitts erreicht hatten. Auf dieser Insel im Zentrum seiner Segelrouten besaß er ein kleines Haus am Strand. Es lag weit genug weg von der Stadt, um das Schiff auf See ankern zu lassen und im Falle eines Falles hinrudern zu können. Doch dieser Fall war nie eingetreten. St. Kitts war ein englischer Hafen und Nathan, als Engländer, hatte nie auch nur einen Schuss auf ein englisches Schiff abgegeben. Er hatte es eher auf Franzosen, Holländer und Spanier abgesehen.
Sein Haus war recht ungewöhnlich, wie ein hübsches englisches Landhaus, das dem warmen Klima angepasst worden war, mit großen luftigen Räumen und Fenstern, die sich nach allen Seiten hin öffneten, um jede Brise einzufangen, woher sie auch wehte. Glänzende Hartholzböden, Palmen in großen Töpfen und duftige Vorhänge verliehen dem Ganzen ein wenig Lokalkolorit, doch die Möbel waren elegant und vom Stil her sehr englisch. Alles wurde makellos in Ordnung gehalten von einem kleinen Stab von Bediensteten, die sich um das Haus kümmerten, wenn Nathan unterwegs war. Die ge-schmackvollen Bilder an den Wänden erinnerten Gabrielle so sehr an jene, die ihre Mutter gesammelt hatte, dass sie sich wie zu Hause fühlte.
Das Schlafzimmer, das sie bekommen hatte, war viel grö-
ßer als ihr Zimmer in England. Der alte Schrank, der dort stand, war ein antikes Stück mit Intarsien aus Kirschholz und Elfenbein in den Türen; das Himmelbett hatte geschnitzte Pfosten, über die ein hauchdünnes Moskitonetz drapiert war.
Und der Blick, den sie vom Balkon auf das Meer und den Hafen in der Ferne hatte, war großartig.
Auch vom Esszimmer aus überblickte man den Ozean.
Dort wurde am ersten Abend ein schmackhaftes einheimi-sches Gericht aus gefüllten Krebsen mit Kochbananen und würzigen Tomaten serviert, dazu ein guter französischer Wein. Eine milde, aromatische Brise wehte durch die offenen Fenster, die auch das beruhigende Rauschen der Meereswellen einließen. Gabrielle hatte das Gefühl, dass sie das Leben auf dieser Insel lieben würde. Margery dagegen war deutlich anderer Ansicht. Während der ganzen Mahlzeit beäugte sie die Diener mit bösen Blicken und wiederholte ein ums andere Mal, dass sie das erste Schiff zurück nach Hause nehmen wolle.
Sobald Margery mit ihrer schlechten Laune ins Bett
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