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Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Titel: Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Birgit;Lolosoli Virnich
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Shukas, den traditionellen Tüchern, um mich herum versammelt. Es ist das erste Mal, dass jemand mit einem Gewehr durch den Dornenzaun eingedrungen ist. Sie sind aufgewühlt. Längst haben die meisten gelernt, mit dem Hohn und Spott der Männer aus der Umgebung umzugehen. Fast jede hier ist schon als Flittchen bespuckt worden, wenn sie im Nachbardorf Archer’s Post eigenständig eine Ziege gekauft hat. Denn das machen bei uns Samburus traditionell nur Männer. Andere sind als dreckige Lesben beschimpft worden, wenn sie in dem staubigen Straßendorf ihren Perlenschmuck verkauft haben. Selbst nach fünfzehn Jahren können viele Samburu-Männer nicht verstehen, dass wir Frauen in Umoja größtenteils ohne sie auskommen. Doch dieser Vorfall heute erschüttert uns alle zutiefst.
    »Der Hass in seinen Augen war beängstigend«, meint Lucy. »Er will dich töten und uns zerstören. Du musst aus dem Dorf verschwinden und dich in Sicherheit bringen.« Fassungslos
starre ich Lucy an. Mein erster Reflex: Ich will kämpfen und mir das von meinem Mann nicht bieten lassen. Doch so einfach wird es nicht sein. Schweren Herzens muss ich mir eingestehen, dass ich nicht nur mich, sondern auch die anderen Dorfbewohnerinnen gefährde.
    Ratlose Blicke. Betretene Stille. Bei dem Gedanken, ohne mich weiterzumachen, schauen mich einige Frauen sorgenvoll an. Sie sind verunsichert. Doch sie sprechen es nicht aus, um es mir nicht noch schwerer zu machen. »Ich werde bald wiederkommen«, versichere ich, obwohl ich im tiefsten Inneren spüre, dass jetzt ein weiter Weg vor mir liegt. Eine Odyssee. Ich atme tief durch und spüre, wie sich Nagusis Arm unter meinen schiebt. Sie hakt mich unter. Ich schaue in ihre braunen Augen, die viel Leid gesehen haben. Sie wird mit mir kommen. Meine treue Freundin, die vor vielen Jahren vor ihrem Mann geflohen ist und in Umoja Unterschlupf fand. Sie kennt das alles besser als ich. Jahrelang hat ihr Ehemann sie immer wieder geschlagen. Zum Abschied aus dem Dorf stimmen wir ein Lied an: »Zusammen schaffen wir es. Umoja.« Manche Frauen ballen ihre Fäuste. Ihr Entschluss steht fest: Sie werden in Umoja bleiben, auch ohne mich, und ich werde wiederkommen.
    Niemand wird uns für immer aus unserem Dorf vertreiben, für das wir so lange gekämpft haben. Jetzt gilt es stark zu bleiben. Keine von uns ahnt, dass der heutige Tag der Auftakt für einen unerbittlichen Kampf um unser Dorf ist. Die Landpreise in der Halbwüste sind explodiert, seit chinesische Straßenbaufirmen eine Teerstraße durch Archer’s Post bis in den Norden Kenias und nach Äthiopien gebaut haben. Der Wert unseres Landes ist also gestiegen, und das ist wahrscheinlich der Grund, warum mein Mann das riesige Grundstück nun an sich reißen will.
    In Windeseile stopfen wir ein paar Klamotten in einen Rucksack und machen uns schweren Herzens auf den Weg. Schweigend laufen wir über den staubigen Pfad zur Hauptstraße,
vorbei an spielenden Kindern und Ziegen zur Polizeistation von Archer’s Post. Ich möchte das Feld nicht völlig kampflos räumen. Bevor ich in den Bus nach Nairobi steige, will ich Anzeige erstatten. Der Beamte in der dunklen Polizeiwache lächelt uns nur müde an und zeigt vielsagend auf den vergilbten Dokumentenstapel auf seinem Schreibtisch. »Warum regst du dich so auf? Er ist doch dein Mann«, sagt er. »Er hat dich in deine Schranken gewiesen. Das ist doch sein Recht.« Gelangweilt wendet er sich seinen Kollegen zu. Sie reden über meinen Mann und loben seinen Geschäftssinn, seine Arbeit als Chief Councillor im obersten Rat der Samburus – er ist einer der wichtigsten Männer in der Region. Als mein Ehemann habe er das Recht, mich zu züchtigen, selbst mit einem Gewehr. Nach Samburu-Tradition betrachtet er mich als sein Eigentum.
    Skeptisch mustert uns der Polizist. »Wieso kommt ihr damit zu uns? Es ist doch eine Familienangelegenheit. Da müsst ihr selbst eine Lösung finden«, rät er uns. Er weigert sich sogar, die Aussagen der beiden Zeuginnen Lucy und Nagusi zu Protokoll zu nehmen. Erst nachdem wir bei seinen Vorgesetzten in Isiolo, der Bezirkshauptstadt südlich von Archer’s Post, waren und der Polizeibeamte von dort eine Anweisung erhalten hat, schreibt er einen Bericht. Widerwillig versichert er mir, meinem Mann das Gewehr abzunehmen. Doch er warnt mich: Wenn keine Gefahr mehr bestehe, könne er meinem Mann das Gewehr wieder zurückgeben.
    Wenig später verlassen wir Archer’s Post und nehmen den nächsten Bus nach

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