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Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Titel: Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Birgit;Lolosoli Virnich
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Nairobi. Die ganze Fahrt über hält Nagusi meine Hand und versucht mich abzulenken, während wir über ein schnurgerades Teerband durch ein dichtes Akaziendach rasen, das bis zum Horizont reicht. Graubrauner Boden und kilometerlange Stromleitungen fliegen an uns vorbei und die Ebenmäßigkeit der Strommasten wird nur manchmal durch silberne Wellblechdächer unterbrochen, die zwischen den kleinen Manyattas – so nennen wir unsere Hütten und unsere
dörflichen Gemeinschaften, die aus mehreren solcher Hütten bestehen –, aufblitzen, die sich nahtlos in die Landschaft einfügen. Am liebsten würde ich das alles festhalten, doch ich muss loslassen und mich in Sicherheit bringen. Und so sauge ich alles auf, was ich sehe: ein paar ocker bemalte Samburu-Krieger, sogenannte Morani, versprengte Kamele, die gelassen zwischen chinesischen Teerwagen und Bautrupps am Straßenrand grasen, Ziegenherden, die emsig das bisschen Gras zupfen, das im sandigen Boden überlebt, und rote Tücher, die zum Trocknen in den Hecken hängen. Wehmütig schaue ich auf meine Heimat. Das sind meine Leute da draußen und ich werde mich von meinem Mann nicht von hier verjagen lassen, so viel steht fest.
    Stunden später auf der neuen mehrspurig ausgebauten Autobahn in die Megacity schnürt sich mir die Kehle zu. Wir fahren durch die Vorstädte von Nairobi, vorbei an vierstöckigen Betonkästen, vorbei an Betonslums. Manche dieser mehrstöckigen Gebäude sind nicht einmal verputzt. Den Investoren sind die Gelder ausgegangen. Die Gebäude wirken kalt und abweisend. Dennoch leben dort Menschen, dicht an dicht. Auf den schmalen Balkonen flattert ihre Wäsche. Wie Ameisen strömen Tausende am Straßenrand in die Hauptstadt und hechten den Matatus, den Minibussen, hinterher. Händler verkaufen ihre hoch aufgetürmten Waren, klein geschnittenes Zuckerrohr oder geröstete Maiskolben. Ein paar Samburu- und Somali-Hirten treiben ihre Ziegen durch dieses Chaos. Wo wollen diese Menschen nur alle hin?, frage ich mich. Wovon leben sie? Viele kommen bestimmt vom Land wie wir. Wie fasst man hier nur Fuß? Mein Herz pocht. Ich mache mir Sorgen. Wie soll es jetzt weitergehen? Wie kann man in diesem Moloch überhaupt überleben?
    Erschöpft von der Holperpiste steigen Nagusi und ich später aus dem verstaubten Samburu-Express in der Tom Mboya Street in der Innenstadt von Nairobi aus. Wie benommen
stehen wir inmitten hupender und stinkender Matatus, die im Minutentakt Passagiere ausspucken und neue einladen. Vom Scheinwerferlicht der Busse geblendet suchen wir nach dem Weg. »Delmar Hotel, Accra Road« steht auf unserem Zettel, den uns eine Frau in Umoja beim Abschied in die Hand gedrückt hatte. Mühsam arbeiten wir uns durch das Gedränge vor und müssen dabei höllisch aufpassen, nicht von einem der laut fluchenden Matatu-Fahrer überfahren zu werden. Eingeschüchtert presse ich unseren Rucksack an mich. Im River Road District tummeln sich die Diebe von Nairobi. Zwischen den schreienden Matatu-Schaffnern, den schrill gekleideten Huren, den Rastamännern, Backpackern und Souvenirhändlern fühlen wir uns völlig fremd. Ich spüre einen Kloß im Hals. Wie kann ich mich im Herzen von »Nairobbery«, wie die Stadt wegen ihrer hohen Kriminalität genannt wird, sicher fühlen? Wie soll ich mich in dieser Anarchie zurechtfinden?
    Ein Inder, der in einem pink glitzernden Stand Pornohefte und -filme verkauft, grinst uns an und schmunzelt über unsere unbeholfene Art. Nagusi und ich sind heilfroh, als wir gegen Mitternacht völlig erledigt auf unser wackliges Hotelbett sinken. Durch die Fenster dröhnt eine Kakofonie aus lauter Gitarrenmusik, kenianischem Hip-Hop und Reggae. Es ist Samstagabend und in den Clubs der Innenstadt geht die Party jetzt erst richtig los. Nagusi schaut mich verzweifelt an und zieht die hauchdünnen dreckigen Vorhänge zu. Irgendwann schlafen wir ein, doch mich plagen fürchterliche Albträume. Ein Gewehr ist auf mich gerichtet. Der Schütze hat den Finger am Abzug. Er drückt ab. In letzter Sekunde werfe ich mich zur Seite und der Schuss geht ins Leere. Immer wieder schrecke ich hoch.
    Als ich noch ganz verschlafen in der Dämmerung aus unserem trüben Hotelfenster hinausschaue, schieben sich unter uns schon wieder wummernde Matatus wie rollende Diskotheken durch die enge Straße. Wie sollen wir das aushalten? In
meiner Heimat habe ich zwar immer Menschen um mich herum gehabt, doch diese Menschenmengen und der Lärm der Großstadt sind für mich

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