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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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sagte ich und versuchte ihm zu folgen. Mein Rücken schmerzte, meine Beine schmerzten, aber ich blieb dran.
    „Dein verdammter Großvater war dabei.“
    „Und dein Urgroßvater hat Armenier massakriert.“
    „Dafür hatte er keine Zeit“, sagte Shane. „Er war damit beschäftigt, deine Urgroßmutter zu ficken.“
    Shane erhöhte sein Tempo, machte dann aber abrupt kehrt, rannte mich beinahe über den Haufen und hetzte in Richtung Marienplatz. Ich folgte ihm, wir sprachen kein Wort. Erst vor der Mariensäule blieb er stehen.
    „Ich bin der Kanake, aber eure Großeltern waren beim größten Massenmord aller Zeiten dabei.“
    „Seit wann interessierst du dich für Geschichte? Du weißt doch nicht mal, in welchem Jahrhundert Adolf Hitler gelebt hat.“
    „Ich weiß einiges über diese Nazischeiße, Kai. Ich bin kein Idiot.“
    „Du glaubst, weil du irgendeinen Hollywoodfilm darüber gesehen hast, wüsstest du alles über diese Bastarde?“
    „Quatsch, Babyface! Als Burcak noch Stadtführungen machte, bin ich ab und zu mitgegangen.“
    „Burcak hat Stadtführungen gemacht?“
    „Burcak hat schon alles gemacht. Am Anfang war sie auf ihren Touren so nervös, dass ich Fragen stellen musste, auf die sie sich vorbereitet hatte. Ich weiß Bescheid, Kai.“
    „Hm.“
    „Die kommen wieder an die Macht“, sagte Shane. Er schüttelte mich und riss den Mund auf, als wollte er mich auffressen. Ich starrte auf seine Zahnlücke. „Wenn diese ganze Wirtschaftsscheiße so weitergeht, wenn es noch mehr Arbeitslose gibt, geht alles wieder von vorne los.“
    „Dann lass uns bei einem Bier für den Weltfrieden beten.“
    „Da hilft kein Beten“, sagte Shane, griff nach meiner Halskette und hielt mir das Kreuz vor die Nase. „Es gibt keinen Gott! Ein Gott hätte Adolf und den anderen Hurensöhnen in den Arsch getreten. Der hätte nicht zugesehen, wie Millionen Menschen verrecken.“
    Shane blieb vor einem Wahlplakat stehen. Auf dem Plakat war ein verschwommenes Bild einer Überwachungskamera. Zwei Jugendliche traten auf einen am Boden liegenden Mann ein.
    „Schau dir das an! Zwei Kanaken machen nen Opa platt. Wenn zwei Nazis nen Kanaken halbtot schlagen, kommen sie nicht auf ein Wahlplakat.“
    „Aber sie kommen genauso in den Knast.“
    „Ich hätt dem Opa geholfen. Ich bin Kanake, aber ich hätt dem Opa geholfen.“
    „Du hättest ihm die Brieftasche geklaut und wärst weggerannt.“
    „Aber erst nachdem ich die beiden Wichser verprügelt hätte“, sagte Shane und trat mit dem Bein gegen den Plakatständer.
    Ein älteres Pärchen beobachtete uns aus sicherer Distanz.
    „Drogendealer, Juden, Terroristen“, schrie Shane und trat nochmals gegen das Plakat, „Kinderschänder, Moslems, wer räumt endlich mit diesem Gesindel auf?“
    Ich zerrte Shane weg, ehe jemand die Polizei rufen konnte.
    „Ich scheiß auf Politik“, sagte Shane. „Ich scheiß drauf, wer an der Macht ist. Wer dir sagt, was Recht ist und was Unrecht ist. Die biegen sich immer alles zurecht. Deshalb musst du stark sein. So stark, dass dich keiner ficken kann. Kein Nazischläger, kein Richter, kein Bulle, kein Führer. Verlass dich niemals auf die Menschen. Und schon gar nicht auf Gott. Es gibt keinen Gott. Es gibt nur dich.“
    „Es gibt Freundschaft.“
    „Es gibt gar nichts.“
    „Aber für dich, Shane, für dich geh ich durchs Feuer.“
    „Du musst das Feuer sein, Kai. Du musst das Feuer sein. Du musst alles auffressen, was dich vernichten will. Sonst wirst du eines Tages zusehen müssen, wie sie deine Frau ficken, deine Kinder aufschlitzen. Willst du das?“
    Da zog er etwas unter seinem Pulli hervor. Es war eine gottverdammte Pistole. Schwarz-silbern. Er sah nach links und rechts, er drehte sich um, er riss meinen Pulli hoch und steckte das Ding in meine Jeans.
    „Die Knarre zielt genau auf meinen Schwanz“, sagte ich und wagte es nicht, mich zu bewegen.
    „Sie ist nicht geladen.“
    „Was soll ich dann damit?“
    „Das Ding soll dich daran erinnern, dass sie dich platt machen, wenn du dich nicht wehrst.“
    „Und wenn ich mich wehre, gehe ich in’ Knast.“
    „Entscheide, was besser ist.“
    Wir gingen schweigend Richtung Sendlinger Tor. Ich fühlte das Eisen auf meiner Haut. Das Unbehagen schwand. Ich fühlte mich unbesiegbar. Ich fühlte mich sexy.
    Shane lachte. Er lachte mich aus.
    „Ich werde nicht länger Opfer sein“, sagte ich leise, als wir weitergingen.
    Shane zog sich die Kapuze vom Kopf. „Was hast du

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