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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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gesagt?“
    „Ich werde nie mehr Opfer sein.“
    Shane lächelte und gab einen seltsamen Gurgellaut von sich, der mich wohl provozieren sollte.
    „Ich habe genug Dreck gefressen.“
    „Glaub ich nicht.“
    „ICH WERDE NIE MEHR OPFER SEIN!“
    „Das musst du mir erst beweisen“, sagte Shane und stellte mir ein Bein. Ich fiel zu Boden, aber ich blieb nicht liegen, ich schlug ihm meine Faust mit voller Wucht in die Eier. Shane sackte zusammen.
    „9 Uhr 21“, stöhnte er und klopfte mit der rechten Hand mehrmals auf den Asphalt wie ein Kampfsportler, der im Würgegriff aufgibt. „Gleis 27.“
    Ich ließ ihn zurück, ging zur U-Bahn-Station, ohne mich nach ihm umzusehen. Er holte mich nicht mehr ein.
    Ich werde nie mehr Opfer sein.
    Ich werde Feuer sein.
    Ich werde dieses verdammte Eisen nehmen, es dieser Scheißwelt in den Arsch stecken und abdrücken.

2
    Ich stand mit der Laptoptasche in der Hand vor dem grauen Betonblock und bestaunte seine Hässlichkeit. Die fünf Ringe auf einer Tafel neben der Eingangstür ließen darauf schließen, dass er für die Olympischen Spiele 1972 gebaut worden war – vermutlich für Journalisten oder Funktionäre. Die Fassade war nie renoviert worden. Die Fenster waren noch dieselben. Rechts von dem Haus eine Tankstelle. Links ein Altersheim, ein mächtiger Neubau. In den meisten Zimmern des Studentenheims brannte Licht. Im Altersheim war alles dunkel. Und so stand ich da eine halbe Stunde und wartete. Es war eine sternenklare Nacht, aber von den Sternen war nicht viel zu sehen. Der Himmel über der Stadt war von künstlichem Licht erleuchtet und schluckte sogar den Vollmond.
    Ich rief Shane an. „Ich steh jetzt davor.“
    „Was ist los?“
    „Ich steh vor dem Heim.“
    „Oh Mann! Was ist los?!“
    „Ich steh vor dem Heim, Shane.“
    „Ist was passiert? Scheiße, red schon!“
    „Nein, nichts ist passiert.“
    „ …?“
    „Das sieht so abgefuckt aus, das Heim.“
    „Du Arsch! Erschreck mich nicht so, Mann!“
    „Scheiße, das sieht ja wirklich fertig aus.“
    Ich hörte Shane seufzen. „Was hast du erwartet?“
    „Ein Studentenheim. Keinen abgefuckten Betonklotz.“
    „Oh Mann, Babyface, dieses Heim da draußen ist die letzte Absteige. Die Dusche ist im Klo, so klein, da darfst du keinen Ständer kriegen. Die Zimmer sind Doppelzimmer, sperr zwei Schweine rein und die haben dich wegen Tierquälerei. Das Haus ist für den Rest vom Fest, du verstehst schon. Da sind all die, die in keinem anderen Heim untergekommen sind.“
    Gregor. So hieß der Typ, dem ich den Stoff liefern sollte.
    Gregor Jenings. Zimmer 217.
    „Wenn du das Zeug abgegeben hast, gibt’s noch ne Überraschung“, sagte Shane.
    „Überraschung?“
    „Schau mal, wer auf Zimmer 113 wohnt.“
    „Deine Mutter?“
    Ich klopfte natürlich zuerst bei Zimmer 113, aber es machte niemand auf. Ich ging hoch in den zweiten Stock, die Tür zu Zimmer 217 stand zwar offen, aber auch hier war niemand. Musik donnerte aus zwei schwarzen Lautsprechertürmen unter dem Fenster. Mitten im Zimmer stand eine uralte Vespa, blitzblank geputzt und liebevoll gewartet. Da war keine Schraube locker, kein Teil rostig, kein Staubkorn irgendwo. Ich strich mit meiner Hand über das Blech und betrachtete die Poster an der Wand – Beatles, Stones, John Cleese, The Who, Paul Weller. Auf der Ablage über dem Schreibtisch standen unzählige leere Bierflaschen, von denen einige bis oben voll mit Kippen waren, in anderen schwamm der Schimmel in trüben Bierresten.
    Ich ging zurück ins Stiegenhaus und traf dort eine Inderin, die mich freundlich grüßte. Sie ging an mir vorbei, ich sagte: „Entschuldigung!“ Sie lächelte mich an. Sie hatte nen leichten Flaum über den Lippen. Ich versuchte, nicht drauf zu starren, und glotzte deshalb in ihren Ausschnitt. „Weißt du zufällig, wo Gregor ist?“
    „Gregor? Es gibt keinen Gregor hier.“
    „Gregor Jenings, Zimmer 217.“
    „Ach, du meinst Rugby?!“, sagte sie und lachte und ihre Titten hüpften. „Rugby ist in der Küche.“
    „Danke“, sagte ich. Sie wollte die Treppe runter, da rief ich ihr hinterher: „Und wo ist die Küche?“
    „Erster Stock. Am Ende des Gangs. Immer dem Lärm und dem Rauch nach.“
    Auf der gläsernen Küchentür hing ein Zettel: HEIMBAR! START: 19:00 UHR. MOTTO: WIR LASSEN UNS DAS SINGEN NICHT VERBIETEN! Und etwas kleiner darunter: Widerstand gegen die Repressalien der Heimleitung.
    Die Küche war vollkommen verqualmt. Es war erst halb 8, aber die

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