Man Down
meisten Leute waren völlig blau. Nur die Mädchen schienen noch halbwegs ansprechbar zu sein. Die Typen schrien rum, tanzten mit entblößten Oberkörpern auf den Tischen, lagen am Boden oder hopsten zum Rhythmus der Musik. Zwei Mädchen grüßten mich freundlich mit Kopfnicken, die Jungs ignorierten mich, nur drei Typen in der Ecke stierten auf meine Laptoptasche.
Jemand drückte mir ein Bier in die Hand.
Die Musik war höllisch laut, ich trank das Bier und fühlte mich gut. Nach all diesen Nächten voller Albträume fühlte ich mich gut. Ich musste Shanes Brüder nicht länger fürchten. Ich fuhr für drei, vier Monate einmal die Woche in die Schweiz und war danach schuldenfrei. Alles würde gut werden.
Ich trank noch ein Bier, ich war high und ich genoss es. Der Schmerz in meinem Rücken verschwand, mein schlechtes Gewissen, meine Nervosität, meine Angst, alles ging flöten.
Ich schloss die Augen und war dankbar für den Augenblick. Glücklich, am Leben zu sein. Glücklich, ein Gangster zu sein. Die Ärzte meinten damals im Krankenhaus, ich sei haarscharf einem Leben im Rollstuhl entkommen. Und jetzt war ich ein Gangster.
Die Mädchen waren hübsch. Ja, sie waren jung und hübsch und kein bisschen arrogant. Sie waren heiß, heißer als die Münchner P1-Schlampen aus Plastik, die mich keines Blickes würdigten. Diese Mädchen hier sahen mich an, sie lächelten, sie schienen nur für mich zu lächeln, für mich zu tanzen, für mich zu leben, und sie schienen dieses Leben zu lieben, oh ja, sie liebten das Leben, nicht das Geld, nicht die Karriere, sie wollten alles probieren und alles fühlen. Und dann tippte mir jemand auf die Schulter und ich drehte mich um, und irgendwas explodierte in mir, irgendwas Großartiges breitete sich in meinem ganzen Körper aus.
Shanes Überraschung.
Diese Augen, dieses Lächeln, fuck, Shane, fuck!, wenn das kein Gott geschaffen hat, wenn das ein Zufall sein soll … solche Augen, so ein Lächeln, … Shane, Shane, wir müssen das noch mal diskutieren, das ist doch alles Müll, was du da quatschst, so n verdammtes Wunder soll einfach so aus dem Nichts entstanden sein?
„Hi“, sagte sie und zog ihre Unterlippe nach rechts und biss darauf, als hätte sie was ausgefressen. Wir sahen uns an, und als die Boxen ausfielen und die plötzliche Stille einen seltsamen Mix aus Stimmengewirr, Gelächter und klirrenden Bierflaschen erzeugte, sagte ich: „Du?“
„Für den Abgang letztes Mal schuldest du mir einen Drink!“ Sie reichte mir ihr leeres Glas. „Wodka-Lemon.“
„Hm.“
„Schon wieder Geldtasche vergessen?“
„Ich hab dich überall gesucht.“
„Ich weiß. Ich habe dich gesehen.“
„Du hast mich gesehen?“
„Ich stand in der Bank und du ranntest drei-, viermal aufgeregt auf der anderen Straßenseite vorbei.“
„Aber warum hast du mich nicht gerufen?“
„War witzig, dir zuzuschauen.“
„Ich war verzweifelt.“
„Verzweifelt?“ Sie lachte. „Wohin bist du nur verschwunden? Und was wollte der Typ von der Bank von dir?“
„ GELD! “, schrie ich, weil die Musik wieder einsetzte, dass es einem die Ohren wegpustete, und ich spuckte ihr dabei aus Versehen ins Gesicht.
Je veux une femme like you.
„ TSCHULDIGUNG !“ Ich wollte ihr die Spucke wegwischen, aber sie tat es selbst. „ WOLLT ICH NICHT! “
Sie nickte und lächelte. „ SCHON OKAY! “
„ DU SIEHST AUS WIE CAMERON DIAZ! “
„ DIE HAT SENF! “
„ WAS?! “
„ DIE KAMERA! SENF MACHT DIE FOTOS! “
Je veux une femme like you.
„Nein, nein“, ich schüttelte den Kopf.
„Doch, doch“, sagte sie und lächelte.
Sie biss sich wieder auf die Unterlippe.
„ ICH BIN MARION! “
„ KAI! “
„ HI! “
„ ICH HEISSE KAI! “
„ WAS?! “
„ DU WOHNST AUF ZIMMER 113 ?“
„ WAS ?!“
„DU WOHNST HIER?“
„ICH TRINK KEIN BIER! WODKA-LEMON!“
Une femme like you.
Ich lächelte, wir konnten uns nicht unterhalten, der Typ hinter dem Laptop drehte die Musik immer lauter und hüpfte im Takt auf und ab.
„HEY! HEY! HEY!“ , brüllte er.
„HEY! HEY! HEY! “, antwortete ihm die pogende Masse.
Ich holte einen Wodka-Lemon und ein Bier und wir setzten uns auf einen Blechkasten, der vor der Balkontür stand. Den hatte die Heimleitung dahingestellt, wie ich später erfuhr, damit keiner auf die Idee kam, die Terrassentür zu knacken. Dass der Zugang zur Terrasse versperrt blieb, war eine Strafmaßnahme.
„DU HAST GRÜBCHEN!“ , lachte sie. „WENN DU LACHST, HAST
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