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Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern

Titel: Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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um das Podest und verharren einen Augenblick lang andächtig, bevor sie anfangen zu sticheln, Mama, wo sind deine Püppchen. Ich will nichts hören, mahnt der Werklehrer, ihr Neidhammel. Jo steht noch einen Moment still vor dem Bett, noch hält sich der Stolz in seinen Augen, aber schon duckt er sich zurück in die Gruppe, das ist für die Mädchen, fällt er ein, die können damit atta atta spielen, und er verzieht das Gesicht. Als der Werklehrer vorschlägt, jemand könnte eine Matratze und eine Decke für das Bett nähen, brandet ein verächtliches Grölen auf.
    Nur Yannis und Susi sitzen schweigend auf ihren Plätzen. Susi wendet den Blick nicht von dem kirschroten Bett. Das hat er toll hingekriegt, flüstert sie Yannis zu, ich würde gern damit spielen. Ich bau dir eins, sagt Yannis leise. Angeber, kichert Susi. Doch, sagt Yannis, das kann ich. Wenn Jo das kann, kann ich es auch. Susi schaut auf seine schlaffen, warmen Finger und sagt, ich brauche es sowieso nicht. Wie soll ich denn damit spielen. Aber mit Matratze, sagt Yannis, sonst sieht es blöd aus. Ich habe ja gar keine Puppen mehr, sagt Susi, aber Yannis hört nicht zu.
    Ich will auch so eins bauen, sagt er so laut, dass sich der Werklehrer überrascht zu ihm umdreht, genau so eins. Ich weiß nicht, Yannis, meint der Werklehrer, ich halte das für keine gute Idee, ich meine, ehrlich gesagt kommt das gar nicht in Frage. Dir fehlt einfach die Kraft. Das sind Sägearbeiten, verstehst du. Vielleicht leiht dir Johannes das Bett mal aus. Ich will aber nicht sein Bett, besteht Yannis, ich will selbst eins machen. Yannis, ruft Susi, lass doch, Yannis. Ich rede mal mit deinem Therapeuten, verspricht der Werklehrer.
    Da sagt Yannis laut, wozu sitzen wir denn hier. Der Werklehrer macht besänftigende Handbewegungen, aber Yannis lässt sich nicht unterbrechen. Immer nur zugucken, ruft er, soll das witzig sein, oder was. Inzwischen haben sich die anderen alle zu Yannis und Susi umgedreht. Da könnt ihr uns ja gleich in den Flur stellen, schreit Yannis. Hör mal, versucht es der Werklehrer wieder, das liegt nicht an mir, von mir aus könntest du hier Baumstämme sägen. Ja dann lassen Sie mich doch, schreit Yannis. Schon öffnet sich die Tür zum Werkraum einen Spaltbreit, und ein Betreuer schaut hinein. Alles in Ordnung bei euch? Nein, brüllt Yannis, gar nichts ist in Ordnung. Er hat sich halb erhoben und stützt sich mit den schlaffen Händen auf der Tischplatte ab. Sein Gesicht ist tiefrot. Entgeistert starren ihn die anderen an.
    Als er aufhört zu schreien, ertönt in die verlegene Stille hinein ein leises Fiepen. Zuerst weiß niemand, woher es kommt. Yannis merkt es als Erster. Er lässt sich zurücksinken, legt seine Hand auf die gewohnte Stelle und schaut in den Kasten. Nicht weinen, Susi, murmelt er, ich mache das schon.
    Abends fährt Yannis hinüber zu Jo. Zu lange darf es nicht dauern, weil ihn sonst die Nachtwache abfängt. In Jos Zimmer ist es sehr warm. Johannes, sagt Yannis in die Dunkelheit hinein. Was willst du, Krüppel, schimpft Jo und macht das Nachtlicht an, warum kriechst du hier herum mitten in der Nacht. Ein Angebot, sagt Yannis und legt sich die Hand über die geblendeten Augen. Ein Jahr Taschengeld, in monatlichen Raten. Und du baust mir ein Bett.
    Moment mal, sagt Jo und setzt sich auf, ich soll dir noch ein Bett bauen, oder wie. Yannis zieht zwei Geldscheine aus dem Schlafanzugärmel, genau so ein Bett. Kirschrot. Weißt du, was für eine Schweinearbeit das ist, fragt Jo, was willst du denn überhaupt damit. Weiß ich, flüstert Yannis, während draußen langsam die Nachtwache ihre Runde dreht. Du kannst das andere haben, sagt Jo, nimm einfach das andere, das ist doch schön. Yannis hört den Stolz in seiner Stimme aufblühen, den er sich am Morgen hat verbieten müssen.
    Nein, flüstert er, es muss ein neues sein, verstehst du. Mann, die lassen mich doch nicht noch eins bauen, sagt Jo, was denkst du denn. Du musst es heimlich machen, drängt Yannis, nicht, wenn alle dabei sind. Als Projekt oder so. Was denn für ein Projekt, flucht Jo, aber er nimmt die Scheine, die ihm Yannis entgegenstreckt, und schiebt sie in den Kopfkissenbezug.
    In der nächsten Woche fangen die anderen mit Beistelltischen an. Das Puppenbett ist vom Werkraum in die beleuchtete Vitrine neben der Aula gewandert, wo es bis zum Adventsbasar vor sich

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