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Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern

Titel: Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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nicht Baby, sagt sie, und Billie grinst. Schon gut, Baby.
    Vor dem Haus steht sein Wagen. Er fährt mit den Füßen. Der Sitz ist weit zurückgelagert, das Lenkrad in Kniehöhe. Er setzt sich auf seine Hände, schiebt die Füße in zwei Lederschlaufen am Lenkrad. Der Rest ist Automatik. Eine Sonderanfertigung, sagt er stolz, als ob er Anna ein Geheimnis verriete. Anna macht sich auf dem Beifahrersitz schmal, wohin wollen wir denn. Wohin willst du, Baby, sagt Billie. Hör auf, sagt Anna, ich mag das wirklich nicht. Billie pustet sich das Haar aus der Stirn und lenkt den Wagen auf die Hauptstraße. Er fährt zügig. Anna senkt den Blick auf das Handschuhfach. Unfallfrei, sagt er. Wir könnten essen gehen. Nein, ruft Anna und richtet sich auf, ich habe keinen Hunger, ich habe gerade erst gefrühstückt, bloß nicht essen gehen. Schon gut, meint Billie.
    Eine Weile schweigen sie. Anna spürt die Beschleunigung und das Abbremsen der Automatik, als säße sie in einem Flugzeug. Ihr fällt nicht ein, wie sie das Schweigen brechen könnte. Als sie an einer Ampel an der Ausfallstraße warten, sieht sie die fassungslosen Gesichter im Auto nebenan. Sie schließt die Augen, bis der Wagen zum Stehen kommt, in einer Parkschlaufe irgendwo vor der Stadt. So, sagt Billie und zieht die Füße aus den Schlaufen, du kannst aussteigen.
    Anna öffnet die Beifahrertür, steigt aus und stützt sich mit den Armen auf die Tür. Hinter den blitzenden Verkehrsströmen der Autobahn liegen Felder, so weit der Blick reicht. Über schlammigem Braun und altem Grün heben und senken sich Krähenschwärme. Der Horizont zerrinnt zu einem sanften Grau.
    Siehst du, sagt Billie. Warum malst du keine Krähen, sagt Anna. Ich kann nur Sommer, meint Billie und lacht.
    3. Yannis und Susi

    Die anderen bauen Stühle. Der Werklehrer richtet das Holz und rührt den Holzleim an. Tony und Max dürfen sogar an die Stichsäge. Die Stühle werden später verkauft. So einen würde ich mir auch kaufen, sagt der Werklehrer zufrieden und rüttelt an Unos fertigem Stuhl, richtig stabil, der wird uns alle überleben. Oder, Yannis? Er hält den Stuhl an einem Bein hoch in die Luft.
    Yannis und Susi sitzen nebeneinander an einer der langen Werkbänke und schauen zu. Etwas anderes bleibt ihnen nicht übrig. Yannis hat so schwache Handgelenke, dass er noch nicht einmal einen Becher halten kann. Susi ist so klein wie eine Dreijährige und liegt in einem Kasten, damit sie nicht zerbricht. Niemand darf sie anfassen. Deshalb legt Yannis seine Hand auf den Rand des Kastens statt auf Susis Arm. Weil der Kasten schräg hochgestellt ist, kann Susi alles sehen, Uno und seinen neuen Stuhl, den Werklehrer mit seiner leimverschmierten Schürze, Tony und Katrina, die sich an der Stichsäge schubsen, bis einer von ihnen nach draußen geschickt wird.
    Vor allem sieht sie Yannis’ Hand auf dem gepolsterten Rand ihres Kastens ruhen. Manchmal beugt sich Yannis zu ihr herüber und flüstert etwas. Dann nickt sie und schaut auf Yannis’ Finger. Sie spricht wenig. Ihre Stimme ist so leise, dass man sich über ihren Mund beugen muss, um etwas zu verstehen.
    In der Geschäftigkeit des Werkraums beachtet niemand die beiden. Sie haben nichts zu tun, aber sie stören auch niemanden. Wenn sie fehlen, weil Yannis zur Behandlung muss oder Susi wieder etwas gebrochen hat, fragen die anderen, wo ist denn das Liebespaar, Susi Schmusi, Yannis Kannis. Jemand macht Kussgeräusche, Uno macht sich steif und klein und winkt mit den Händen, als seien sie winzige Schmetterlingsflügel, Yannis, flötet er, mein Schatz, reich mir die Hand.
    Aber wenn sie an ihrem Platz sitzen, Susi schräg gekippt, Yannis’ Hand auf dem Rand ihres Kastens, sagt niemand etwas. Sie schauen gleichmütig auf das Hämmern und Leimen. Manchmal wispert Yannis etwas in den Kasten, und Susi nickt kaum merklich.
    Dann baut Jo, dem noch nie etwas gelungen ist, ein Puppenbett. Es hat gedrechselte Füße, ein geschwungenes, altmodisches Kopfende und sogar einen Lattenrost und sieht kostbar aus. Jo streicht es kirschrot. Am Ende steht es mitten auf der Werkbank, auf dem Podest, auf dem die fertigen Stücke ausgestellt werden, und leuchtet. Alle Achtung, sagt der Werklehrer, wirklich charmant, Johannes, wer hätte das gedacht. Das können wir auf dem Adventsbasar verkaufen.
    Die anderen drängen sich

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