Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern
hin glänzt und Besuchern der Einrichtung vorgeführt wird. Wer daran vorbeikommt, schaut nicht hin. Niemand verliert mehr ein Wort darüber.
Yannis und Susi sitzen im Werkraum nebeneinander und schauen dem Messen und Sägen zu. Ab und zu bringt ihnen der Werklehrer, der sich vorgenommen hat, sie besser einzubeziehen, ein Stück Holz zum Fühlen oder erklärt ihnen, wie die Wasserwaage funktioniert. Jo beugt sich über seinen Beistelltisch wie alle anderen und schaut nicht zu ihnen herüber. Zu Anfang des Monats findet er in seinem Schulranzen einen Briefumschlag mit einem Geldschein.
Dann bekommt Susi eine Lungenentzündung. Niemand darf sie besuchen. Yannis schreibt ihr jede Woche einen Brief. Weil er nicht weiÃ, was er schreiben soll, schneidet er Artikel aus Fernsehzeitschriften aus und klebt sie auf buntes Papier. Das gibt er bei der Krankenschwester ab, die ihm gerührt auf den Nacken klopft, ihr seid ja süÃ, ihr beiden. Ist das gefährlich, was sie hat, fragt Yannis. Mach dir mal keine Gedanken, Kerlchen, sagt die Krankenschwester, das kriegen wir schon wieder hin.
Aber Yannis liegt nachts wach und macht sich Gedanken. Er wartet. SchlieÃlich fragt er Jo nach dem Frühstück, als die Betreuerin schon den Staubsauger anstellt, und wie weit bist du. Jo weicht zurück, also zaubern kann ich auch nicht. Wie weit bist du, drängt Yannis, wie lange dauert es noch. Ich muss es noch lackieren, erklärt Jo, und auÃerdem sieht es etwas anders aus als das erste, das ist eben so, ich bin ja keine Maschine. Der Staubsauger würgt an einem angebissenen Brötchen. Die Betreuerin schüttelt den Kopf und fasst das Brötchen mit zwei Fingern. Kirschrot, sagt Yannis scharf. Jo dreht sich schon zur Tür um, jetzt reg dich ab, mach keinen Stress. Nächste Woche, ruft ihm Yannis hinterher, spätestens. Jo klopft sich mit der flachen Hand gegen die Schläfe und macht eine Grimasse.
Aber am Wochenende, als Yannis von der Krankenstation kommt, wo er seinen Brief abgegeben und im Flur gewartet hat, ob die Tür vielleicht aufgeht und er einen Blick auf Susi werfen kann, winkt Jo ihn in sein Zimmer. Warum ist es bei dir immer so warm, fragt Yannis. Jo wehrt ab und zeigt auf ein unförmiges Gebilde, das sich unter seiner Bettdecke abzeichnet. Zwei Jahre Taschengeld mindestens, sagt er finster. Yannis zieht die Decke weg und starrt auf das Puppenbett. Es ist klobig und feuerrot. Von der unvermuteten Eleganz des ersten Stücks ist nichts geblieben. Yannis fährt näher ans Bett und öffnet den Mund, aber die Worte fehlen ihm.
Und, fragt Jo nervös. Als Yannis stumm bleibt, fängt er an zu erklären, also an das Kirschrot bin ich nicht rangekommen, ich weià nicht, wo die das aufbewahren, und es ist etwas gröÃer, ich dachte, das ist ganz gut, es passt mehr rein. Yannis schüttelt langsam den Kopf. Mann, du kriegt mehr für dein Geld, sei doch froh, schreit Jo auf einmal und rennt mit einem Tritt gegen den Rollstuhl aus dem Zimmer.
Blass vor Enttäuschung sitzt Yannis vor dem Bett, bis die Wochenendkraft hereinkommt und überrascht in der Tür stehen bleibt. Was ist denn das für ein Kindersarg, ruft sie. Yannis will sich das Bett auf den Schoà heben, aber seine Hände sind zu kraftlos. Wollt ihr da Kaninchen drin halten, kichert die Betreuerin, komm, ich helf dir, und sie trägt das Bett vor Yannis her in sein Zimmer und wuchtet es auf seinen Schreibtisch.
Nachts denkt Yannis an Susi, die vielleicht auch wachliegt und fiebert, er hat schon fast vergessen, wie sie aussieht, und rechnet immer wieder durch, was das Bett ihn kostet und was er Susi für das Geld hätte kaufen können, eine ganze CD-Sammlung, vielleicht sogar eine Anlage, eine teure Puppe mit echtem Haar. Aber Susi spielt ja nicht mehr mit Puppen. Er weià nicht, womit sie überhaupt spielt. Oft spricht sie wie eine Erwachsene. Wir müssen uns gedulden, sagt sie zu Yannis, wenn sie im Werkraum warten, dass die Stunde vorübergeht. Dann weià Yannis nicht, was er sagen soll. Manchmal liest ihr jemand etwas vor, oder sie steht in ihrem Kasten vor dem Fernseher. Sie mag Ratesendungen. Oft weià sie die richtige Antwort.
Yannis richtet sich ein wenig auf und schaut zu der klobigen Silhouette auf seinem Schreibtisch hinüber. Das neue Bett ist so groÃ, dass Susi beinahe hineinpassen würde. Sie wird sich nicht darüber freuen.
Sie wird sich
Weitere Kostenlose Bücher