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Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern

Titel: Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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Fräulein Ü., das wie immer an ihrem Schreibtisch ihm schräg gegenüber saß und im Zehnfingersystem eine schwierige tabellarische Statistik tippte. Die Nacht war wie immer unruhig gewesen, Georgs Schreien hatte ihn geweckt und Birgit H. aus dem Bett geholt, und dann war sie immer wieder aufgestanden, obwohl aus dem Kinderzimmer nichts mehr zu hören war, eine Blasenschwäche vielleicht, Rudi H. wusste es nicht und wollte auch nicht nachfragen, weil er vermutlich keine Antwort bekommen hätte, Frauendinge behielt sie eben für sich und das meiste andere auch, es war schwierig, und an diesem Morgen sah Fräulein Ü., das er unter gewöhnlichen Umständen noch nicht einmal zu bemerken pflegte, besonders frisch gewaschen aus, und ihr Kleid war sehr blumig mit frühlingshaften Puffärmeln. Fräulein Ü., für das Komplimente von Rudi H. und auch von anderen Männern nach den unschönen Ereignissen vor einigen Jahren rar gesät waren, legte erfreut den Kopf schräg und schaute zu Rudi H. herüber.
    Vor einigen Jahren hatte sie kurz vor der Verlobung gestanden, sogar einen schönen schweren Goldring hatte ihr Schatz Harry F. ihr überreicht, nur um sich dann mir nichts dir nichts buchstäblich in Luft aufzulösen, sogar eine ausgiebige Recherche ihres Vaters hatte zu nichts geführt.
    Sie hatten im Wirtshaus Zum Goldenen Anker einen lauschigen Abend verbracht, in dessen Verlauf Harry F. allerdings ein Glas Bier nach dem anderen trank oder vielmehr soff, so dass sein Atem selbst über den Tisch hinweg unangenehm dampfte. Obwohl sie sich sonst immer gut unterhielten und viele gemeinsame Gesprächsthemen hatten, wusste Harry F. diesmal wenig zu sagen. Stattdessen starrte er sie fortwährend an und versuchte, seine Hand auf ihren Oberschenkel zu legen, was sie entschlossen abwehrte. Nach fortgesetzten Ermahnungen ihrerseits forderte sie ihn auf, sie nach Hause zu fahren. Als sie das Gasthaus verließen, er leicht schwankend, sie aufrecht und verärgert, drängte er sie direkt neben der Treppe an die Hauswand, deren roher Putz sich unangenehm in ihre Ellbogen drückte, riss an ihrer Bluse, bis die drei oberen Knöpfe absprangen, und packte mit beiden Händen ihre Brüste. Sie war so überrumpelt, dass ihr nichts einfiel, um ihn zu bremsen, er hätte sowieso nichts gehört, denn inzwischen schnaufte er heftig und presste sich an sie, dass ihr fast die Luft ausging.
    Harry, flüsterte sie schließlich, fahr mich sofort nach Hause, aber seine Augen waren halb geschlossen, und der Schweiß perlte ihm aus den Haaren, er dachte nicht daran, auf sie zu hören. Schließlich schrie sie und stieß ihn mit aller Kraft von sich, und er wandte sich, immer noch schnaufend wie ein Wildschwein, von ihr ab, sprang in seinen Wagen und fuhr sehr schnell davon. Als sie später zu Fuß bei ihren Eltern ankam, mit zerknitterten Kleidern und Blasen an den Füßen, konnte sie immer noch nicht glauben, was passiert war, und wäre bereit gewesen, kein Wort darüber zu verlieren, aber ihre Eltern bestanden auf einem genauen Bericht, und während die Mutter ihr ein Fußbad einließ, tobte der Vater, des Sittenstrolchs werde man schon habhaft werden. Den Ring zog sie ab und hoffte doch einige Tage noch, Harry F. kehre reumütig zu ihr zurück, mit einem großen Blumenstrauß natürlich und einer triftigen Erklärung für die Eltern, dann hätte sie ihn wieder anstecken können. Aber Harry F. zerschlug sich, den Ring nahm irgendwann der Vater an sich, der ihn beim Juwelier schätzen lassen wollte, und seitdem war Fräulein Ü., so wie die Mutter es ihr auch riet, mit Männern vorsichtig.
    Allerdings, sagte die Mutter auch, galt es die richtige Balance zu wahren, schließlich wurde sie nicht jünger, und wie sollte man an einen Mann kommen, ohne ihn vorher kennenzulernen. Das eben, sagte die Mutter, sei die hohe Kunst, die jede Frau beherrschen müsste.
    Fräulein Ü. beherrschte sie nicht sehr gut und war nun auch schon dreiundzwanzig, und natürlich kam auch Herr H. in keiner Weise infrage, verheiratet, Familienvater und ihr vorgesetzt, so etwas lohnte sich nicht. Aber der Morgen war beinahe sommerlich milde, die Fensterfront der Sparkasse frisch geputzt, viel Sonnenlicht strömte in das Großraumbüro, und die Blicke des Herrn H. taten ihr gut. Es war

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