Man lebt nur ewig
meines Bosses anzugaffen, war, wenn auch äußerst angenehm, nicht gerade förderlich für meine moralische Entwicklung. Es war nicht nur ver- dammt unprofessionell, sondern es kam auch nicht wirk- lich von Herzen. Ein großer Teil von mir wollte sich noch immer nicht mit einem Mann einlassen. Warum ließ mein Sextrieb also meinen Motor aufheulen? Blöder, hirnloser Heizkörper voll idiotischer Hormone.
»Wohnmobile sind einfach zu klein«, erwiderte ich has- tig auf Vayls Spuck’s-aus-Freak-Kopfbewegung. Ich er- zählte ihm von dem Medaillon und meinem Gespräch mit Bergman. Er nickte und begann nebenbei sein Schlafzelt abzubauen. Während ich ihm dabei zur Hand ging, klärte ich ihn auch noch über mein letztes Gespräch mit Albert auf.
Vayl schob das Zelt in seine Tragetasche, legte sich auf das Bett und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Also, was wissen wir über Samos?«
»Nicht viel«, sagte ich und lehnte mich an die Wand, wobei ich gegen die Frustration ankämpfen musste, die mein Denken zu trüben drohte. »Er ist ein in Amerika entstandener Vampir, der sich in der Hierarchie eines Vampirzirkels hochgearbeitet hat. Auch wenn ich wohl nie wissen werde, wie wir das herausgefunden haben. Es
ist traditionellerweise fast unmöglich, in einen dieser Zir- kel einzudringen.«
Ein Flackern in seinen Augen verriet mir, dass ich wohl gerade unsere Quelle gefunden hatte.
»Vayl? Warst du auch solch ein Vampir?« Nachdem es mir rausgerutscht war, hätte ich mir am liebsten den Mund zugehalten. Mich entschuldigt. Das war ungefähr so, als würde man einen Priester fragen, ob er mal für die Mafia gearbeitet habe.
Er ließ die Hände in den Schoß sinken. »Ja.«
Ich wartete auf Ausreden, doch er brachte keine vor. Also lieferte ich ihm eine. »Ich könnte mir vorstellen, dass du damals ganz anders warst als heute.«
»Du hättest mich nicht wiedererkannt. Hättest mich nicht kennen wollen.«
»Was … warum bist du ausgestiegen? Wie bist du aus- gestiegen? Du und Samos, ihr seid die einzigen Vampire, von denen ich je gehört habe, die das geschafft haben.«
»Als dein sverhamin müsste ich diese Fragen beantwor- ten, aber ich muss dich bitten, sie zurückzuziehen. Es wäre zu gefährlich für dich, das zu wissen.«
Gefährlich für dich, oder gefährlich für mich? , fragte ich mich. Doch ich nickte nur und fuhr mit meiner Zusam- menfassung bezüglich des Raptors fort: »Samos scheint einen Großteil seiner Zeit damit zu verbringen, sich unter den Übernatürlichen Verbündete zu suchen. Obwohl Vampire normalerweise alle Anderen meiden, da sie sich ihnen, und sogar Vampiren aus anderen Nestern, weit überlegen fühlen, ist Samos dafür bekannt, mit Werwöl- fen und Hexen und sogar Menschen Bündnisse einzu- gehen.«
»Baut er sich also eine eigene Armee auf?«, fragte sich Vayl.
»Es sieht jedenfalls so aus. Mit Pengfei und Lung als Verbündeten und dem Schröpfer in der Tasche, wird er von einem rein amerikanischen Problem zu einer welt- weiten Bedrohung. Wodurch es umso wichtiger wird, dass wir an diese Rüstung herankommen.«
»Ja«, stimmte Vayl mir zu. »Und ich denke, wir müssen auch einen Weg finden, um diesen Schröpfer zu eliminie- ren, Desmond Yale.«
33
A ls wir den Wohnbereich betraten, nahm Vayl die Armbrust, die er benutzen wollte, von ihrem Haken über Mary-Kate. Ein schlankes Modell aus Mahagoni und Edelstahl, schwer, aber treffsicher. Sie war Matts Lieb- lingswaffe gewesen. Und ich hatte sie seit seinem Tod treu mit mir herumgetragen. Nun enthielt sie den Bolzen, den Bergman so modifiziert hatte, dass er seine verborgene Fracht absetzen würde, sobald er Pengfeis Haut durch- stoßen hatte. Ich dachte, dass es mir nichts ausmachen würde, wenn Vayl den Abzug an Matts Waffe drückte, solange wir dadurch unser Ziel erreichten.
Cassandra, Cole und Bergman saßen noch beim Abend- essen an dem Tisch, den Bergman endlich freigeräumt hatte, da er nun mit seinen Projekten fertig war. Alle schauten immer wieder auf die Armbrust. Ich beobachte- te sie und versuchte herauszufinden, was sie dachten. Sollte ich raten, hätte ich gesagt, dass Cassandra sich frag- te, ob sie die Visionen ertragen könnte, die sie heimsuchen würden, sobald sie die Waffe berührte. Cole stellte sich vor, wie er den Abzug betätigte. Bergman betete, dass der Mechanismus, den er entwickelt hatte, um die verborgene Strahlung freizusetzen, funktionieren würde, bevor Peng- fei die Chance bekam, uns die
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