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Man lebt nur ewig

Titel: Man lebt nur ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Rardin Charlotte Lungstrass
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eintrafen. Zunächst sah es nach einer stinknormalen Party aus, bei der die Leute un- bequeme Klamotten tragen und so tun, als würden sie sich mögen. Vampire und Menschen vermischten sich, alle Chi- nesen. Shunyuan Fa war auch da, benahm sich aber mehr wie ein Gast, weniger wie ein Gastgeber.
    »Erkennst du irgendwen außer Fa?«, fragte ich Vayl.
    »Nein.«
    Bergman sagte: »Wenn ihr wollt, kann ich jedes Gesicht auf der Jacht isolieren und das Bild durch eure Datenban- ken laufen lassen.«
    »Gut«, sagte Vayl. Seine betont kurzen Antworten hämmerten mir schließlich die Botschaft in meinen Dick- schädel. Ich hatte diesen Kuss abgetan, als wäre nichts gewesen. Und er hatte mehr damit gemeint. Vielleicht sogar viel mehr.
    Aber es ist ja nicht so, als wüsstest du, ob er überhaupt Gefühle hat , versuchte ich abzuwiegeln. Die meiste Zeit läuft er mit derselben eingefrorenen Miene rum, mit der er aufgewacht ist.
    Was, und das bedeutet, dass er nicht verletzt werden
kann? , fragte Großmama May an ihrem Stammplatz am Kartentisch irgendwo vorne in meinem Gehirn. Momen- tan schien sie mit Spiderman, Bob Hope und Abraham Lincoln Bridge zu spielen. Sie stellte ihr Glas mit Eistee ab, bediente Bob mit einem Herzass und sagte: Hast du dir jemals überlegt, wie hart ein Mann daran arbeiten muss, der Welt ein solches Gesicht zu zeigen? Es ist wie der Hoover-Damm, wie dieser Becher. Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie tief der Schmerz sein muss, der sich dahinter aufstaut?
    Unter halb geschlossenen Wimpern hervor musterte ich Vayl. Ja, das konnte ich.
    Während Bergman versuchte, die Leute in der Menge zu identifizieren, blieben diese ruhig, höflich und erwar- tungsvoll. Sie mussten nicht lange warten. Zuerst betrat eine zierliche, gertenschlanke Frau in einem roten Satin- kleid den Wohnbereich. Sie hatte ihre Haare zu einem dieser schicken chinesischen Knoten aufgesteckt, die im- mer so aussehen, als würden sie gleich vom Kopf der Da- me springen und sich irgendeinem unglücklichen Tropf um den Hals wickeln. Traditionelles Make-up aus weißer Schminke, schwarzer Farbe um die Augen und roten Lip- pen bedeckte ihr Gesicht. Sie trug ein paar glänzende schwarze Stöcke in der Hand.
    Eine flinke Drehung des Handgelenks, und die Stöcke verwandelten sich in riesige Fächer, einer mit dem Bild eines Kriegers in einer langen goldenen Robe mit Schwert- gürtel. Auf dem anderen war ein goldener Drache darge- stellt, der auf dem Grund eines Flusses lag. Sie begann mit langsamen, graziösen Bewegungen zu tanzen und hielt die Fächer dabei so, dass es aussah, als würde der Krieger den Drachen erst bekämpfen und dann der Drache aus dem Krieger emporsteigen.

    »Sie ist gut«, hauchte Cole.
    »Und wie soll ich da bitte schön mithalten können?«, fragte ich.
    Vayl fixierte mich mit diesem eisigen Blick aus blauen Augen, den ich für mich seinen »intellektuellen« Blick nannte. Weil ich ihn so gut kannte, konnte ich sehen, wie er sich mich in meinem Kostüm vorstellte, wie ich mich zu uralten Rhythmen bewegte, während er zusah. Seine Augen verdunkelten sich. »Für einige wird es keinen Ver- gleich geben«, sagte er.
    Meine Kehle war plötzlich wie ausgetrocknet. Als mein Blick sich auf seine Lippen senkte, fragte ich mich, was wohl passiert wäre, wenn einer von uns bei unserem qua- si-Kuss mutig genug gewesen wäre, sich einfach gehen zu lassen. Wären unsere Welten explodiert in einem Rausch aus neuen Farben, Wundern und Zeichen? Oder hätten wir uns schon gegenseitig zerstört?
    Unsere Blicke begegneten sich. Nach seiner Zeitrech- nung kannte er mich noch nicht lange. Aber er kannte mich gut genug, dass ich ihm oft Dinge mitteilen konnte, ohne Worte zu benutzen. Normalerweise war das auf den Job bezogen. Hinter dem Busch versteckt sich einer. Gib mir dreißig Sekunden, um in Position zu gehen, bevor du etwas unternimmst.
    Diesmal hatte ich ihm etwas anderes zu sagen. Dieser Kuss hat mich eiskalt erwischt. Mir eine Heidenangst gemacht. Hat mir gezeigt, wir sehr du meine Welt auf den Kopf stellen kannst. Ich fand ihn wundervoll. Jetzt brauche ich etwas Zeit, um damit klarzukommen, okay?
    Er lehnte sich zurück, und einer seiner Mundwinkel hob sich leicht. Als seine Augen einen warmen Braunton annahmen und er mir leicht zunickte, wusste ich, dass wieder alles in Ordnung war.

    Das Geräusch von Applaus lenkte meine Aufmerk- samkeit wieder auf den Fernseher. Die Tänzerin hatte ihre Vorstellung beendet. Sie wartete, bis

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