Man lebt nur ewig
Verpackung und stellte sie auf den Boden. »Das könnte eine gute Sache werden.« Ich ließ mir einen Moment Zeit, um die Entfernung abzuschätzen, schwang dann die Axt hoch über den Kopf und ließ sie herabsausen. Die Dose zerplatzte mit einem wundervollen, metallischen Kra- chen, und die Flüssigkeit spritzte heraus. Ich konnte nicht anders. Ich musste grinsen.
Letztendlich erzählte ich Evie und Tim von meinem kleinen Verstandrettungsmanöver. Aber ich glaubte nicht, dass die chinesische Mama so etwas brauchen würde. Nicht mit so einem kooperativen kleinen Jungen. Irgend- wann wurde sie müde, holte ihren kleinen Astronauten auf die Erde zurück und setzte ihn in ein Laufgestell, des- sen Räder offenbar blockiert waren. Da nun seine persön- liche Achterbahn plötzlich geschlossen hatte und das
neue Fahrgeschäft auch vorübergehend außer Betrieb war, erwartete ich, dass er ein riesiges Geschrei loslassen würde. Doch er grinste nur, wobei seine vier Zähne in dem schwindenden Licht glitzerten wie kleine Perlen. Ich fing den Blick seiner Mutter auf, als sie ihm ein paar Wurststückchen und einen Schluck Milch aus einer klei- nen Tasse gab.
»Er ist bezaubernd«, sagte ich lächelnd.
Sie erwiderte mein Lächeln. »Danke.« Aus ihrem Ak- zent schloss ich, dass sie nicht besonders gut Englisch sprach. Trotzdem, ich musste einfach fragen: »Ist er im- mer so fröhlich?«
Sie nickte stolz. »Er nur weinen, wenn hungrig oder müde.«
»Wow, das ist toll. Und Sie gehören zu der Akrobaten- truppe?«
»Ja, mein Mann und ich beide auftreten. Aber ich habe leichte Verletzung« - sie deutete auf ihren Knöchel, der bandagiert war -, »also ich diese Woche aussetzen.«
Cole sprang plötzlich vor und erschreckte uns beide. »Mit dem Baby stimmt etwas nicht«, erklärte er, kniete sich vor das Laufgestell und brachte sich auf Augenhöhe mit dem Jungen. »Er bekommt keine Luft.«
Die chinesische Mama und ich wechselten einen ent- setzten Blick, als wir bemerkten, dass die Lippen des Ba- bys sich blau verfärbten.
Cole versuchte sich zu räuspern. »Da steckt was drin.« Er zog den Jungen aus seinem Sitz und legte ihn auf den Rücken. Dann führte er, sanft, aber mit Druck, das Heim- lich-Manöver bei ihm durch, wobei er nur zwei Finger jeder Hand dazu benutzte, die Luft aus den Lungen und durch die Luftröhre zu pressen. Nach vier vergeblichen Versuchen funktionierte es. Das Baby spuckte ein Wurst-
stück aus, das groß genug aussah, um einen Elefanten zu ersticken.
Der Junge holte tief Luft. Schaute seine Mutter über- rascht an. Und brach in Tränen aus. Das war zu viel für sie. Wenige Sekunden später weinte sie ebenfalls und streckte die Arme aus, damit Cole ihn für ein gemeinsa- mes Heulen und ein beruhigendes Schaukeln hineinlegen konnte. Wir sahen ihnen dabei zu.
»Sollen wir gehen?«, fragte Cole schließlich.
»Ich kenne mich mit der Heimlich-Etikette nicht so genau aus«, erwiderte ich. »Aber es wird langsam spät.« Ich tätschelte der chinesischen Mama den Arm. »Wir sind froh, dass es ihm wieder gutgeht«, sagte ich. »Ihnen geht es auch gut, oder?« Sie nickte. »Wunderbar. Wir müssen dann jetzt gehen.«
»Oh nein, aber ich muss Ihnen doch danken, richtig! Und mein Mann! Er wird Ihnen danken wollen auch!« Bei dem Gedanken, dass wir gehen könnten, sah sie so verstört drein, dass Cole sie schnell beruhigte: »Wir gehen nicht für immer. Wir treten auch hier auf. Wissen Sie was, kommen Sie doch einfach morgen in unser Zelt. Wir ge- ben Ihnen Tickets für unsere Show, und dann können wir auch Ihren Mann kennenlernen.«
»Oh ja, das wird gut. Und dann Sie kommen zu unserer Show auch. Ja?«
»Selbstverständlich«, versicherte Cole, bevor ich ihn mit einem Rippenstoß daran erinnern konnte, dass wir hier waren, um einen Vampir zu töten, und nicht, um uns mit seinen Angestellten anzufreunden. Wir lächelten uns alle drei an und nickten uns zu. Dann verabschiede- ten Cole und ich uns von Baby-flieg-hoch, dessen Trä- nen bereits getrocknet waren. Er hatte sich interessante- ren Dingen zugewandt, wie zum Beispiel den Ohrringen
seiner Mutter, während diese uns noch ungefähr drei Dutzend Mal dankte.
Als wir weitergingen, sagte ich: »Wow. Für so etwas kriegst du Bonuspunkte im Himmel.«
Cole zuckte mit den Schultern. »Ich bin mal eine Weile mit einer Krankenschwester ausgegangen. Und mit einer Rettungssanitäterin.« Als ich ihn vielsagend ansah, zwin- kerte er mir zu. »Da hatte ich diese
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