Man lebt nur ewig
dem weißen Achtzehner-Karton schmeißen würden, den sie auf dem grünen Picknicktisch zwischen ihnen abgestellt hatten. Aber ich erkannte sie. Es waren die Jungen, denen ich un- erlaubte Abwesenheit vom Unterricht unterstellt hatte, die von den christlichen Fundamentalisten, die alle Anderen hassten. Doch ich hatte gedacht, dass sie Fünferlooping fahren würden, bis sie kotzten. Nicht, dass sie unsere Klappfenster mit Kochzutaten vollkleistern würden.
Ich steckte Kummer weg und marschierte auf sie zu, bereit, sie am Kragen zu packen und zu schütteln, bis sie um Gnade flehten. Vayl hatte einen anderen Plan.
Die untere Hälfte seines Stocks schoss durch die Luft und spießte den Karton auf. Die Eier flogen kreuz und quer durch die Luft. Ich hätte fast gelacht, als die Jun- gen zusammenzuckten, aufschrien und in die Nacht ver- schwanden. Oder es zumindest versuchten.
»Halt«, befahl Vayl. Natürlich gehorchten sie. »Hin-
setzen.« Sie setzten sich auf die Bänke. »Sagt mir eure Namen und euer Alter.«
Der linke von beiden, der offenbar beschlossen hatte, mithilfe von Donuts und Borritos gegen seine Akne an- zugehen, sagte: »James Velestor. Fünfzehn.«
Der rechte, ein braunhaariger Hänfling, dessen Brille immer wieder Richtung Zahnspange rutschte, murmelte etwas. »Ich kann dich nicht hören!«, bellte Vayl.
»Aaron Spizter, vierzehn.«
»Wer hat euch hierhergebracht?«
Die Jungen sahen einander an und grinsten durchtrie- ben. Ich trat einen Schritt vor. »Komm schon, Vayl, das würde viel mehr Spaß machen, wenn ich sie ein paar Mal mit den Köpfen zusammenschlagen dürfte.«
Das ernüchterte sie. James sah zu mir hoch, und seine beiden Kinne wackelten leicht, als er frech fragte: »Wa- rum hängen Sie mit Anderen wie diesem Medium rum? In den Augen Gottes ist sie eine Abscheulichkeit, wissen Sie.«
Aaron meldete sich zu Wort, wandte sich aber mehr an seinen Freund als an mich. »Und was ist mit dem Freak da?«, fragte er und deutete mit dem Daumen auf Vayl. »Ich meine, schau doch nur, wie es seine Gedankenkon- trolle bei uns einsetzt, genau jetzt!«
»Für mich klingt ihr wie ein paar Grobiane, die man einer Gehirnwäsche unterzogen hat«, sagte ich ihnen mit meiner Gutenachtgeschichten-Stimme. »Ich schätze mal, Mommy und Daddy haben euch erklärt, dass die mensch- liche Rasse allen Anderen haushoch überlegen ist und ihr deswegen nicht zögern solltet, bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihr Eigentum zu zerstören und sie wie Dreck zu behandeln. Ich glaube, sie sind sogar so weit gegangen, euch diese Eier zu kaufen und eine Wegbeschreibung zu
uns zu geben. Habe ich Recht?« Ich beugte mich vor und starrte in die Gesichter der kleinen Scheißer. Sie konnten nicht glauben, wie ich sie in so kurzer Zeit durchschaut hatte.
»Wo sind sie?«, fragte Vayl grimmig. Als er nicht sofort eine Antwort bekam, brüllte er: »Wo?«
James und Aaron zeigten mit zitternden Fingern über die Schulter nach hinten. Schließlich erkannten wir, dass ihre Väter in dem Van saßen, der beim Hafen geparkt war. Vayl schob die tröpfelnde Schwertscheide wieder an ihren Platz, und wir brachten die Jungen, zusammen mit ihren Eiern, zum eigentlichen Schauplatz des Verbrechens.
Normalerweise fühlt sich Vayls Kraft an wie ein ruhiges arktisches Meer, von mystischem Blau mit unzähligen winzigen Wellen an der Oberfläche und einer eiskalten Unterströmung. Doch jeder anständige Seemann mit ei- ner erhöhten Empfindsamkeit, wie ich sie hatte, hätte mir zugestimmt, dass das Barometer gerade ins Bodenlose ge- fallen war und uns ein verdammt heftiger Sturm bevor- stand.
»Ähm, Vayl? Spürst du, wie ich mich gerade fühle?«, murmelte ich. Normalerweise will ich, dass er sich aus meinen Gefühlen heraushält. Ungefähr Kontinente weit weg bleibt. Aber im Moment …
»Nein.«
»Tja, pass auf.«
Ich erlaubte mir einen kleinen Seufzer der Erleichte- rung, als ich keinen roten Funken in seinen Augen ent- deckte, als er mich ansah. Nach einem Moment fragte er: »Warum machst du dir Sorgen um mich?«
»Weil ich weiß, was ich tue, wenn ich so sauer bin, dass ich nicht mehr klar denken kann. Und die Folgen sind immer unschön. Deshalb denke ich, dass du nicht deinen
Instinkten folgen solltest, wenn wir mit den Vätern dieser Jungen reden. Denn ihnen die Arme auszureißen und da- mit eine über den Kopf zu geben wird das eigentliche Problem nicht lösen.«
»Hm.«
Oh Gott, langsam klang er sogar schon so wie ich.
Wie auch
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