Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Man lebt nur ewig

Titel: Man lebt nur ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Rardin Charlotte Lungstrass
Vom Netzwerk:
immer, er machte keine typische Jaz-Aktion, als wir den Van erreichten. Während die Jungen sich in den Wagen flüchteten, ging er zur Fahrerseite und warte- te geduldig, bis der Mann das Fenster herunterkurbelte. Ich postierte mich neben dem Beifahrer, einem Kerl mit dem teigigen, schlaffen Aussehen eines ausdauernden Stu- benhockers.
    »Was wollen Sie?«, fragte der Fahrer. Vielleicht fühlte er sich sicher, weil er so massig war. Sein hellblauer Blazer wurde definitiv gut ausgefüllt, und falls er einen Hals hat- te, versteckte der sich wohl hinter der schmalen schwar- zen Krawatte.
    »Ich will wissen, warum Sie es für angebracht hielten, Ihren Sohn loszuschicken, damit er mein Eigentum be- schädigt«, sagte Vayl mit seiner Ich-bin-am-Ende-mei- ner-Geduld-Stimme. Sie kann irreführend sein, wenn man ihn nicht kennt, da sie so sanft ist. Fast bescheiden. Doch wenn jemand ihr über den Weg läuft und sie ignoriert, kann derjenige seine restlichen Atemzüge normalerweise an einer Hand abzählen.
    Da der Fahrer mit Vayls gefährlicheren Gemütslagen nicht vertraut war, rechnete ich damit, dass er sich irgend- einen Mist ausdenken würde, wie, dass einer der Jungen sein Portemonnaie verloren hatte und sie ihn nur zurück zum Festival gebracht hätten, damit sie danach suchen konnten. Um drei Uhr morgens. An einem Montag. Doch vielleicht wusste er auch, wie lahm das klingen würde,
denn er sagte: »Unsere Jungs vollbringen das Werk Got- tes, und wir sind stolz auf sie. Medien sind nichts anderes als Hexen, und die sind eine Beleidigung Gottes.«
    »Eine Beleidigung«, stimmte mein Typ ihm zu.
    »Wie heißt du, Kerl?«, fragte ich ihn.
    »George Velestor«, antwortete er.
    »Hast du in deinem Leben schon jemals einen eigen- ständigen Gedanken gehabt, George?«
    Er schaute zum Fahrer.
    »Anscheinend nicht.« Ich sprach immer weiter, da Vayls Kraft wieder angeschwollen war, und ich mir dachte, dass wir - wenn ich nicht schnell etwas unternahm - hier bald einen Van voller menschlicher Eislutscher haben würden. »Wie heißt du, Fahrer?«
    Er musterte meine Haare, Möpse, Augen, Möpse und dann wieder die Augen. Ich fragte mich, wie viele Leute ihn wohl vermissen würden, wenn er einfach so ver- schwand. »Mein Name ist Dale Spizter, Ma’am.«
    »Bist du verheiratet, Dale?«
    »Sicher.«
    »Dann halt deine verdammten Augen von meiner Brust fern.«
    Er wandte ruckartig den Kopf ab, und ich glaubte die Jungen kichern zu hören. Vayl öffnete die Autotür. »Was machen Sie da?«, fragte Dale.
    »Aussteigen.«
    »Sicher nicht.«
    In Vayls Stimme schwang eiskalte, unnachgiebige Macht mit: »Sie vier werden jetzt dieses Fahrzeug verlassen und uns zum Wohnmobil begleiten.« Für unsere Gäste mag sein Gesicht wie eine Maske gewirkt haben, doch ich konnte sehen, wie seine Kiefermuskulatur zuckte und die Ader an seiner Stirn pulsierte. Keine guten Zeichen.

    Wie brave kleine Marionetten sprangen sie los. Die Männer sahen allerdings so aus, als erwarteten sie, jeden Moment von einer höheren Macht niedergestreckt zu werden. Sie sanken noch weiter in sich zusammen, als wir unser Ziel erreichten und ihnen ein paar Schalen mit Sei- fenwasser und Küchenrolle in die Hand drückten. Vayl stellte die Liegestühle auf und lud Cassandra ein, nach draußen zu kommen. Dann sahen wir drei zu, wie sie die Sauerei entfernten, die sie angerichtet hatten. Vayl hatte auch eine Taschenlampe mit rausgebracht, sodass Cassan- dra die Stellen beleuchten konnte, die sie übersehen hat- ten. Sie fand eine ganze Menge davon.
    Ich dachte, diese Rache hätte Vayl hingehend befriedigt, bis er aufstand und anfing, auf und ab zu gehen. Ich konn- te meinen Blick nicht von dem Gehstock abwenden, der sich bei jedem Schritt tiefer in die Erde bohrte.
    »Wir sind fertig«, sagte Dale schließlich. Er ließ einen Klumpen Küchenrolle in die Wasserschüssel fallen und rollte die Ärmel seines Jacketts herunter.
    Ich stand auf. »Sehr schön. Verschwindet.«
    »Nein. Ich habe noch etwas zu sagen«, verkündete er.
    Das haben sie doch immer.
    »Vielleicht sollten wir besser gehen, Dale«, meinte George. Er gefiel mir wesentlich besser, wenn er meine Ansichten nachplapperte.
    »Gott hat uns aus einem bestimmten Grund hierher- gebracht, George«, sagte Dale in diesem singenden Ton- fall eines Fernsehpredigers, von dem ich immer Zahn- schmerzen bekam. »Wir müssen unserer Verantwortung IHM gegenüber gerecht werden …«
    Ich spürte, wie sich die Kraft in Vayl

Weitere Kostenlose Bücher