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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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begeistert und versucht ebenfalls schneller zu werden als sein Schatten. Ich habe jetzt schon Angst vor dem Tag, an dem er damit aufhört. Dann weiß ich, dass er kein Kind mehr ist. Jedenfalls musste ich immer mehr Geschichten über Lucky Luke erfinden und schließlich Lieder über ihn singen. Also fange ich an:
    »Lucky Luke das war ein Wilder, der schoss auf alle Straßenschilder.« Diese Zeilen müssen spontan erdacht werden, auf Zuruf sozusagen, sonst hagelt es Proteste von den billigen Plätzen. Wir fahren durch das schöne Alpenvorland Richtung Kindergarten.
    »Noch ’ne Strophe!«, ruft Vito begeistert. »Jetzt Lucky Luke in den Bergen!« Sie sehen: Vito gibt mir gerne die Themen vor. Wo Lucky sich gerade befindet oder was er durchzustehen hat.
    Also gut: »Lucky Luke versteckt sich in den Bergen. Da kann ihn niemand finden, außer den Zwergen«, gröle ich. Wir kommen an einer Weide mit Kühen vorbei.
    »Jetzt bei den Kühen«, ruft mein Kleiner mit roten Bäckchen.
    »Lucky Luke ist Cowboy, deshalb liebt er Kühe. Nur mit dem Melken hat er seine Mühe.«
    Das holperte ein wenig, macht aber nix, die Jury hinten ist gnädig und noch in einem Alter, in dem man leicht zu begeistern ist.
    »Und noch ’ne Strophe Lucky Luke. Jetzt bei den Kängurus!« Zum Glück ist der Kindergarten gleich im Nachbarort.
    Auf dem Rückweg höre ich dann Klaviermusik, zum Entspannen.
    DIE ZEIT VERGEHT
    Die Kinder halten einem am besten vor Augen, wie vergänglich alles ist. Ich beobachte mit einer gewissen Wehmut, wie schnell sie älter werden. Gerade wenn sie so zwischen drei und sechs Jahre sind, wenn sie anfangen, die Welt zu begreifen, noch staunen und fasziniert sind von allem – das ist ein tolles Alter. Sie sind dann einfach nur zum Knuddeln. Ich kann mich zum Beispiel jedes Mal freuen, wenn ich nach Hause komme und die kleinen Schühchen auf der Treppe sehe. Ich schaffe es einfach nicht, an ihnen vorbeizugehen, ohne zu lächeln. Letztens ist es dann passiert. Der Moment, vor dem ich solche Angst hatte. Ich habe auf der Treppe ein paar Schuhe gesehen und konnte nicht einordnen, ob sie von meiner Tochter oder meiner Frau sind. Schrecklich. Da war für mich ein Lebensabschnitt vorbei.
    Und bevor man sich versieht, sind sie in der Pubertät. Dann laufen sie mit fettigen Haaren und pickelig herum und finden alles krass und abgefahren. Sie stechen sich Tattoos und zieh’n sich Ringe durch die Nase. Was die Eltern sagen ist ätzend, und Bock hat man sowieso auf nix. Wenn sie überhaupt nach Hause kommen, dann nur um ihre Kippen auf dem Teppich auszudrücken. Mit ’nem Gettoblaster auf der Schulter und Johnny im Arm. »Papa, das is Johnny. Der zieht jetzt bei uns ein. Johnny is DJ und so cooool. Sein Piercing kann man rausnehmen, is das nich krass?!« Mir graust schon davor. Am liebsten würde ich ihnen das Älterwerden verbieten.
    Ein Gefühl, das ich vor der Geburt meines ersten Kindes überhaupt nicht kannte, war das der Sorge. Meine Mutter hat sich immer Sorgen um mich gemacht. Ich empfand das als befremdlich, ehrlich gesagt sogar: lästig. Wenn ich nachts noch Auto gefahren bin, hat sie mich gebeten: »Melde dich, wenn du angekommen bist«, weil sie fürchtete, dass ich vielleicht zu müde sein und beim Fahren einschlafen könnte. Sorge – klar, ich kannte den Begriff und wusste, wie man ihn definiert, aber ich hatte das Gefühl selbst vorher nie empfunden. Das ändert sich, sobald ein Kind da ist. Ein eigenes Kind. Dann bekommt dieser Begriff ein Gesicht. Da reicht es, dass du beobachtest, wie es mal unaufmerksam über die Straße läuft. Sofort hast du vor Augen, dass es das immer macht und bist in Sorge. Und Gefahren lauern überall.
    Jedes Mal, wenn ich mit Viktoria telefoniere und sie von irgendwoher losfährt, um nach Haus zu kommen, oder wenn sie von hier wegfährt, sage ich: »Fahr bitte vorsichtig!« Das ist wie ein Mantra. Man muss sich regelrecht zwingen, das mit der Sorge nicht zu übertreiben. Wenn mir damals meine Mutter erzählt hätte, dass es mir sorgentechnisch bei meinen eigenen Kindern mal genauso ergehen würde – ich hätte ihr nicht geglaubt. Aber so sind sie eben – die Kinder.
    DER ALTE VATER
    Viktoria und ich haben vor einiger Zeit beschlossen, keine Kinder mehr in die Welt zu setzen. Ich wollte mich von Harald (Dirty Harry) Schmidt nicht fragen lassen: »Sag mal, Heiner, Kinder in deinem Alter? Ist das noch Erektion oder schon Leichenstarre?«
    Dass ich schnell müde werde, wenn ich mit den

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