Man lebt nur zweimal
pfuscht, bevor er den ersten Ball berührt hat. Jetzt hatte Viktoria den Ball getroffen. Auch wenn der Schlag miserabel war, nur unwesentlich weiter als ihr Tee und links ins Gestrüpp flog, war ich erleichtert.
»Mist, ich hab’s dir ja gesagt«, fluchte sie, während sie ihr Tee suchte. Ich nahm ein Tee aus meiner Tasche und reichte es ihr.
»Hier, nimm eins von mir und hau noch mal drauf.«
»Wieso? Wir finden meinen Ball doch.«
»Willst du jetzt zehn Meter weiter im Gebüsch rumkriechen?«
»Klar, warum nicht?«
»Weil uns dann der zweite Flight überholt, bevor du deinen ersten Schlag gemacht hast.« Ich nahm nun einen Ball von mir und teete ihn für sie auf, um die Sache zu beschleunigen. Ich spiele teure Titelest Pro V 1 Bälle. Während ich mich von meinem Ball verabschiedete, sagte ich:
»Bitte, Schnuffi, mach einfach, was ich sage.« Sie verdrehte die Augen, machte aber immerhin Anstalten zu gehorchen.
»Und nur einen Probeschwung«, sagte ich.
»Warum?«
»Weil man das so macht.«
»Sagt wer?« Wieder meine Pressatmung. Ich holte tief Luft und ließ sie langsam durch die fast geschlossenen Lippen wieder herausströmen. Angeblich macht das unglaublich locker, alter Schauspielertrick.
»Ich. Bitte schlag jetzt.«
Sie machte nur einen Probeschlag und ihr Abschlag war dann so, dass man den Ball zumindest weiterspielen konnte.
Im Strickkursverfahren, Viktorias Ball immer wieder von links aus dem Gestrüpp in den Wald rechts rüber schlagend und dabei ungefähr 10 Meter Richtung Green gewinnend, näherten wir uns meinem Ball, der auf ungefähr 230 Metern lag. Nun überholte uns der zweite Flight. Die Kappe noch tiefer im Gesicht, grüßte ich freundlich. Nach dem dritten Loch hatte uns der fünfte Vierer-Flight überholt und ich erlaubte mir einen vorsichtigen Kommentar. Ich sprach es einfach aus, ich bin in diesen Fällen für absolute Ehrlichkeit:
»Viktoria, wir müssen uns ein bisschen beeilen.«
Das war ein Fehler. Viktoria, an der ihr eigenes Spiel wohl auch nicht spurlos vorübergegangen war, schnauzte mich an:
»Wenn du dermaßen ungeduldig bist, habe ich keinen Spaß am Golf spielen.« Wir diskutierten noch eine Weile, bevor wir die Runde abbrachen.
Wir fuhren dann verhältnismäßig stumm nach Hause. Wir haben nie mehr miteinander Golf gespielt. Wir wussten, das würde nicht gut gehen. Wir hatten die Wahl – entweder Golf oder Ehe. Wir haben uns für die Ehe entschieden.
GOLF MIT HEINER
Fairerweise habe ich beschlossen, Viktorias Schilderung dieser Ereignisse ebenfalls in das Buch aufzunehmen. Denn ich habe schon oft beobachtet und finde es sehr interessant, wie stark sich die Versionen ein und der gleichen Geschichte zwischen Ehepartnern manchmal unterscheiden. Die Frage, ob das womöglich mit den unterschiedlichen Gehirngrößen von Männern und Frauen zusammenhängt oder ob es dafür sonst eine natürliche Erklärung geben könnte, überlasse ich an dieser Stelle lieber anderen.
Mit dem Heiner Golfen zu gehen ist grausig. Ich kann mir kaum etwas Anstrengenderes vorstellen. Selbst mit zwei heulenden Kindern noch kurz vor dem Mittagessen durch einen Supermarkt zu rasen oder mit meiner Schwiegermutter ein Weihnachtsessen vorzubereiten ist angenehmer, ja, ich würde auch noch einmal eine Hochzeit für 500 Gäste planen – all das wäre reine Erholung, Nervenbalsam, ein Wellness-Kurzurlaub, im Vergleich zum Golfspielen mit Heiner.
Heiner kann das Golfen gar nicht mehr richtig genießen. Der ist nur noch mit seinen Zockerfreunden unterwegs, und da geht’s um Geld und ums Gewinnen, und sonst gar nichts.
Ich habe mich eigentlich sehr auf unsere gemeinsame Golfrunde gefreut. Ich hatte ganz frisch meine Platzreife und war bislang nur immer mit dem Golflehrer unterwegs gewesen. Ein sehr netter Mensch übrigens. Der ist ja auch Profi, spielt sicher viel besser als der Heiner, aber sehr ausgeglichen und gelassen dabei, gar nicht verbissen oder in Eile. Trotz des anstrengenden Trainings war auch immer noch kurz mal Platz für Gespräche. Es war lustig, und wir haben auch immer etwas zu gucken gehabt. Eichhörnchen, Gänseblümchen, ein Segelflieger am Himmel. Für all das hat der Heiner keinen Blick. Der läuft über den Platz wie ein Shaolin-Mönch.
Ich habe kaum den ersten Fuß auf den Rasen gesetzt, da hagelte es bereits Ermahnungen. Ich solle bitte nicht so trödeln. Heiner geht im Laufschritt zum Abschlag, sticht seinen Tee in die Grasnarbe und drischt ohne hinzugucken auf seinen
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