Man lebt nur zweimal
…« Und wenn du nur ansetzt zu sagen: »Hast du meine Brille gesehen?«, dann fange ich schon an zu suchen. Automatisch. Dabei bist du einfach nur zu faul, selbst zu gucken.
HEINER: Es ist ja nicht so, dass ich im Bett liege und sage: »Wo ist eigentlich meine Brille?« Also nicht, ohne dass ich sie vorher gesucht hätte.
VIKTORIA: Doch, das machst du gerne.
HEINER: Nie! Ich schaue vorher in die Schublade in meinem Nachttisch. Und wenn da die Lesebrille nicht drin ist, dann rufe ich schon mal: »Wo ist denn meine Brille?« Hätte ja sein können, dass du sie weggeräumt hast.
VIKTORIA: Als würde ich deine Brille aus deiner Nachttischschublade nehmen.
HEINER: Da fällt mir noch ein: Ich habe doch mal diese Golf-Geschichte geschrieben, die könnte ich jetzt gebrauchen für dieses Buch – kannst du sie noch raussuchen?
VIKTORIA: Genau das meine ich. Du könntest ja auch selber gucken.
HEINER: Ich habe doch grad den verletzten Fuß. Mit dem Gips soll ich da hochhumpeln?
VIKTORIA: Auch wenn du keinen Gips hättest, würdest du mich fragen.
HEINER: Das stimmt, Schnuffi. Ich kann dich einfach nicht anlügen.
VIKTORIA: Doch, das kannst du.
HEINER: Aber ich frage doch sehr charmant. Das wird dann nicht mehr berücksichtigt, nach elf Jahren Ehe?!
Das sind dann wohl die kleinen Sachen, die abstumpfen mit der Zeit.
VIKTORIA: Wenn du’s frech machen würdest, dann könntest du mich sowieso mal! Das registriere ich schon, dass du nett fragst.
Aber du bist halt im Großen und Ganzen eh keiner, der zur Hand geht.
HEINER: Wie – »zur Hand geht«?
VIKTORIA: Na, dass du mal hilfst.
HEINER: Unfassbar. Jeden Sonntag! Wenn ich nicht das Frühstück sowieso schon ganz alleine gemacht habe, räume ich zumindest danach das meiste wieder weg.
VIKTORIA: Ja, man muss sagen, du machst zwei, drei Mal im Jahr Frühstück. Das stimmt.
HEINER: Schnuffi, du darfst aber nicht nur, damit das Gespräch hier lustig wird, Blödsinn erzählen.
VIKTORIA: Nein, das ist wirklich so! Zumindest empfinde ich es so.
HEINER: Ich werde das mal so praktizieren, wie du es gesagt hast, damit du dann den Unterschied feststellen kannst. Dann mache ich mal nichts. Dann lass ich mal alles liegen.
VIKTORIA: Wenn ich sage: »Mensch, kannst du mir da und da mal helfen, oder kannst du …« – dann hast du meist keine Zeit. Davon rede ich.
HEINER: Was, wo denn überhaupt?
VIKTORIA: »Das geht jetzt nicht, jetzt kommt Fußball.« Es ist immer irgendwas wichtiger, als mir in dem Moment zu helfen.
Erinnerst du dich noch, als ich mal eine Woche lang krank war? Ich war in den letzten zehn Jahren einmal krank und lag im Bett und konnte nicht aufstehen, weil es so schlimm war. Da bist du nicht einmal auch nur in die Nähe meines Bettes gekommen. Sondern von der Türschwelle aus hast du gerufen: »Alles okay, Schatz?«
HEINER: Soll ich mich vielleicht anstecken, damit wir dann beide krank im Bett liegen?
VIKTORIA: Man hilft dem anderen, wenn er krank ist.
HEINER: Das soll jetzt aber nicht in den ersten richtigen Ehestreit ausarten hier. Das sollte ein nettes Gespräch werden. Damit die Leute sehen, wie glücklich wir sind.
VIKTORIA: Ach, das kann man ja weglöschen.
HEINER: Weglöschen?! Aus meinem Gedächtnis kann man das aber nicht weglöschen!
VIKTORIA: Du hast ja auch viele Vorteile, darauf komme ich ja noch zu sprechen.
HEINER: Das will ich aber auch meinen.
VIKTORIA: Du bist der liebste Ehemann.
HEINER: Na! Das brauchte aber Zeit!
VIKTORIA: Der Großzügigste, der Beste, und so weiter. Was ich an dir so liebe: Du hast wirklich ein gutes Herz. Deshalb sind die anderen Sachen nicht ganz so schlimm.
HEINER: Fängst du schon wieder an?
VIKTORIA: Nein, nein, jetzt bin ich lieb.
HEINER: Das will ich aber auch meinen.
VIKTORIA: Dich kann man sowieso so leicht auf die Palme bringen.
HEINER: Ja, womit denn?
VIKTORIA: Wenn du Fußball guckst zum Beispiel. Und ich komme und frage: »Wie viel steht’s?« Dann gehst du an die Decke.
HEINER: »Wie viel steht’s?« ist schon mal ganz schlecht.
VIKTORIA: Dann »wie steht’s« meinetwegen.
HEINER: Du interessierst dich doch gar nicht dafür.
VIKTORIA: Doch, mich interessiert das schon. Ich habe nur meistens keine Zeit, selbst zu gucken.
HEINER: Und deswegen lässt du andere gucken, oder wie?
VIKTORIA: So ungefähr, ja.
HEINER: Ach so. Ja, jetzt wo du’s sagst. Ich interessiere mich auch seit dreißig Jahren für’s Wasserballett. Lass ich aber auch andere gucken.
VIKTORIA: Du bist
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