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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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Ball. Dafür, dass er angeblich so super spielt, verzieht er ihn kräftig nach links. Er tut so, als wäre das Absicht. Als ich nachfrage – vielleicht kann ich ja was lernen von ihm –, klatscht er in die Hände. »Los, Viktoria, wir müssen zu deinem Abschlag.« So ziehen wir hektisch mit dem Wagen über den Rasen, bis die Reifen qualmen und ich positioniere mich am Frauen-Abschlag, der ein winziges Stück näher am Green ist, als der für die Männer.
    Ich schau mir gerne den Schwung an, ich gucke, wo der Ball hinfliegt. Heiner interessiert sich überhaupt nicht dafür, was der andere macht. Jeder spielt für sich, jeder Handgriff sitzt, er könnte auch am Fließband irgendwelche Geräte montieren oder eine Waffe laden, ganz genau: wie im Krieg, da ginge es kaum weniger effizient vonstatten. Aber auf jeden Fall kameradschaftlicher.
    Ich bin also kaum an meinem Abschlag angekommen, schon etwas außer Atem von dem Stechschritt, da zieht er auch schon ein Eisen aus meiner Tasche und hält es mir vor die Nase.
    »Damit es ein bisschen zügiger geht.«
    Ich will protestieren, denn das ist natürlich der völlig falsche Schläger, aber Heiner hat diesen Blick drauf, diesen »du weißt nicht, wie unfassbar geduldig ich bislang war«-Blick, und ich stelle mich schweigend an meinem Ball auf, schlucke meinen Ärger herunter und versuche mich trotzdem irgendwie zu konzentrieren. Dabei klopft er schon mahnend mit dem Finger auf das Ziffernblatt seiner Uhr. Dann kommen auch noch irgendwelche anderen gestressten Spieler hinter uns an, die dringend überholen wollen. Als gäbe es heute was umsonst im Clubhaus.
    Natürlich fühlt sich Heiner von diesen Wichtigtuern auch noch bestätigt. Auf welcher Seite steht er eigentlich? Auf der seiner Frau oder auf der Seite dieser aufgeblasenen Lackaffen? Vor lauter Aufregung treffe ich natürlich den Ball nicht so richtig. Der fliegt nach links ins Gebüsch. Auch das noch. Natürlich ist mir das peinlich. Kurz sieht man nur noch das Weiße in Heiners Augen, er hat sie genervt nach oben verdreht. Wie kann man das alles nur so bitter ernst und wichtig nehmen? Das ist doch ein Hobby, ein Sport, ein Freizeitvergnügen. Ich spiele doch Golf, um mich vom Stress zu Hause zu erholen – rumhetzen kann ich doch da schon zur Genüge. Das hier nun Natur und Rasen und See und Wald drum herum sind, das ist Heiner egal. Man könnte auch in einer Umgebung aus grauem Beton spielen, solange die Abschläge die gleichen wären, würde er das gar nicht bemerken. Und auf Gesellschaft könnte er sowieso gut verzichten, es sei denn, einer seiner Zockerfreunde ist dabei und spornt ihn an, weil er ein paar Euro zu verlieren hat. Höher, weiter, schneller – das muss ich doch nicht den ganzen Tag haben!
    Ich rufe leise, dass er auf mich warten soll, doch der Wind geht so stark, dass er mich kaum hört. Die Leute tun hier alle so, als konnten sie sofort perfekt spielen, als die das erste Mal auf einem Platz standen. Die sind schon mit einem einstelligen Handicap auf die Welt gekommen. So etwas Unsoziales habe ich selten erlebt.
    Ein einziges Mal habe ich Heiner noch gebeten, auf mich zu warten. Nicht mal zehn Minuten später sah ich schon wieder nur noch seine Mütze aus der Ferne. Da habe ich beschlossen: Nie wieder. Mit Heiner Golf zu spielen ist Stress pur, das tue ich mir nicht mehr an. Dafür ist mir meine Freizeit zu schade.

DIE GLÜCKLICHE EHE – DAS INTERVIEW
    Immer wieder werde ich in Interviews gefragt, wie ich es geschafft habe, so eine lange, glückliche Ehe zu führen. Und die Lieblingsfrage an Viktoria ist, wie sie es nur fertiggebracht hat, einen so wilden Mann wie mich zu zähmen. Außerdem wollen immer alle wissen, wie es denn bei uns zu Hause eigentlich zugeht, wie wir so privat sind.
    Diese Fragen habe ich sicherlich schon häufiger beantwortet, als die nach der Uhrzeit. Und ich werde sie auch noch eine weitere Million Mal beantworten. Ich mache das immer wieder gerne, kein Problem. Wenn so viele Menschen sich dafür interessieren, dann muss ja etwas daran sein.
    Aber manchmal denke ich: So ähnlich muss es Menschen gehen, die einen ungewöhnlichen Vornamen haben. Denen wurde in ihrem Leben sicherlich auch schon tausende Male die Frage gestellt, die mit folgender Einleitung beginnt: »Ach, das ist aber ein interessanter Vorname, woher kommt der denn?«
    Vielleicht sollten sich die Menschen einmal selbst fragen, was sie auf die Frage, wie sie ihre Ehe führen oder wie sie denn so privat zu

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