Man lebt nur zweimal
Es wurde mucksmäuschenstill. Alle Augen waren auf Wilfried gerichtet. Ich beobachtete speziell seinen Mund. Ich wollte wissen, ob Jochi recht hatte und er wirklich seine Lippen so verkrampft zusammenpresste. Er machte jetzt seinen Schlag. Obwohl ich ihn genau im Visier hatte, konnte ich keine außergewöhnlichen Lippenbewegungen feststellen. Dafür war sein Schlag außergewöhnlich. Wilfried, sonst ein guter, präziser und zuverlässiger Golfer, hatte einen für seine Verhältnisse miserablen Schlag hingelegt. Kurz und ungerade. Eine grausame Mischung. Und das Unheil drohte mit Jochis nun folgenden Worten seinen Lauf zu nehmen: »Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht so draufhauen Liebling. Aber du hörst ja nicht auf mich.«
Ich fürchtete nun ernsthaft, dass der diesjährige Friedensnobelpreis anderweitig vergeben werden musste. Aber Wilfried wäre nicht Wilfried, wenn er diese Situation nicht souverän meisterte. Mit bewundernswerter Gelassenheit suchte er nach seinem Tee, welches fast so weit geflogen war, wie sein Ball. Übrigens, für Nicht-Golfer: Das war ein untrügliches Merkmal für einen grottenschlechten Schlag.
Das Ganze wäre wahrscheinlich auf dem folgenden Green schon wieder vergessen gewesen, hätte der sympathische Südafrikaner nicht noch eine Bemerkung dazu gemacht.
Auf dem Weg zu unseren Bällen gesellte er sich neben Wilfried, schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter und sagte: »Ich kenn das, mein Sohn schlägt mit dem Driver auch schon weiter als ich.« Während Jochi und ich miteinander den »Hast du auch gehört, was ich gehört habe«-Blick austauschten, versuchte sich Wilfried noch zu rechtfertigen: »Ach, darum geht’s doch gar nicht. Entscheidend ist doch gar nicht die Länge, sondern die Präzision. Und wenn mein Sohn ein paar Meter weiter …« Jetzt sah er den Südafrikaner an: »Ich meine, wenn ihr Sohn ein paar Meter weiter schlägt als ich …« Nein, das machte auch keinen Sinn. Was hatte dieser Mann eigentlich mit seiner Bemerkung gemeint? Nun sah Wilfried, der übrigens 12 Jahre älter ist als ich, zu uns. An unseren Reaktionen bemerkte er, dass wir es auch mitbekommen hatten. »Glaubt der etwa, dass Heiner mein Sohn ist?«, wollte er jetzt von uns wissen. Während ich mich der Stimme enthielt, meinen Kopf in mein Golfbag grub und so tat, als würde ich nach einem neuen Ball suchen, antwortete Jochi mit der routinierten Diplomatie einer liebenden Ehefrau: »Hätte man so verstehen können.«
Soeben hatte Wilfried eine Dublette eingefahren, wie das im Boxerjargon heißt. Schon angeschlagen von Jochis Spitzen bezüglich seines Alters, bekam er vom bislang so sympathischen Südafrikaner noch einen Leberhaken.
Auch dass ich versuchte, ihn davon zu überzeugen, dass mein jugendliches Aussehen garantiert mit meinem morgendlichen Spezialdrink zu tun hatte, machte die Sache natürlich nicht ungeschehen. Aber wenigstens lenkte es die Debatte in eine andere Richtung. Nun wollten nämlich alle wissen, was für ein Zauberzeug ich da morgens zu mir nehme. Ich musste ihnen versprechen, nach der Runde mit dem Rezept rauszurücken.
Wilfried brauchte zwar noch zwei, drei Löcher Rekonvaleszenz, aber spätestens am siebten Loch, an dem er mich im Übrigen sauber ausgedrived hat, war er wieder ganz der Alte. Oh, Pardon.
GOLF MIT SCHNUFFI
Auch Viktoria hat irgendwann mit dem Golfspielen angefangen. Genau genommen hat sie angefangen anzufangen. Leider. Das heißt, zuerst habe ich mich gefreut – ist ja toll, wenn man mit der Frau ein Hobby teilt. Aber alles, was man mit echter Leidenschaft betreibt, ist eben auch, wie wir eben erfahren haben, mit Risiken für die Ehe verbunden. Ich war gespannt, wie wir uns schlagen würden.
Meine geliebte Frau fing also an, Unterricht zu nehmen. Sie hatte schätzungsweise tausend Trainingsstunden. Jedes Mal, wenn sie zum Golfplatz fuhr, nahm sie eine Trainerstunde. Ich habe ihr daraufhin gesagt: »Es ist übrigens auch möglich, dass man mal für sich übt. Man muss nicht jedes Mal mit dem Pro trainieren, da gibt es keine solche Vorschrift.« Aber das war ihr offensichtlich zu langweilig. Der Lehrer war ja so ein Netter.
Irgendwie hat sie es dann tatsächlich geschafft, die Platzreife zu bekommen. Das heißt, sie durfte allein über den Platz gehen, ohne dass der Besitzer des Golfplatzes befürchten musste, hinterher schäferhundgroße Löcher in seinem Rasen zu haben, oder sein Gelände sonst wie zerstört vorzufinden.
So beschlossen wir also
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