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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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alt war. Aber das ist eine Ewigkeit her. Ein paar Jahre, bevor wir meine Mutter verloren und mein Dad Josies Mom heiratete. Nach ihrem Tod hat mein Dad viele von Moms Sachen weggegeben, doch was das Boot betraf, war er unnachgiebig. Hier gibt es so viele glückliche Erinnerungen, und ich habe mich an Bord stets sicher gefühlt. Meine Mom hätte es so gewollt.
    Trotzdem kann es hier nachts ein bisschen unheimlich sein, besonders draußen. Abgesehen vom Schwappen der Wellen und dem dumpfen Pochen gegen die Bordwand ist die Nacht dunkel und still. Der Geruch nach salzigem Meerwasser und Algen, die so nah am Ufer auf den mächtigen Felsformationen trocknen, ist so überwältigend, dass ich mich beinahe davor ekle, wenn der Wind ihn direkt hier herübertreibt.
    Ich bin nicht sonderlich scharf darauf, ganz allein nachzuforschen, wo das geheimnisvolle Geräusch herkommt, auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass es bloß ein Fisch ist. Also versuche ich es nochmal bei Josie. »Hey«, sage ich, diesmal lauter. »Wach auf. Ich brauche deine Hilfe.« Ich strecke die Hand aus, um sie zu berühren, aber etwas lässt mich innehalten. Das Gefühl ist wirklich seltsam; als ob ich sie nicht stören dürfte. Einen Moment lang denke ich, dass ich vermutlich immer noch betrunken bin. Alles kommt mir irgendwie ein bisschen unscharf vor.
    Ihre Augenlider flattern. »Liz?«, murmelt sie. Sie ist benommen; offensichtlich schläft sie noch. Eine Sekunde lang blitzt etwas in ihrem Blick auf – ist das Furcht? Jage ich ihr Angst ein? Und dann versinkt sie wieder im Schlummerland, und ich stehe ganz allein da, die einzig Wache an Bord. Tschumb-Tschumb-Tschumb.
    Der Pier ähnelt einem Holzpuzzle. Vom Ozean her rollen Wellen herein, und wenn sie schließlich den Sund erreichen, sind sie normalerweise ziemlich harmlos, doch heute Nacht scheinen sie kräftiger als sonst, um uns alle in den Schlaf zu wiegen. Als wären wir ein Haufen Babys. Trotz meines Versuchs, tapfer zu sein, fühle ich mich klein und ängstlich, als ich schließlich auf Zehenspitzen durch die offene Glasschiebetür hinaushusche; meine Schuhe erzeugen auf dem Fiberglasdeck des Bootes leise, klackernde Geräusche. Jeder Arm des Piers hat bloß zwei Laternen: eine in der Mitte und eine ganz am Ende. Vom Mond ist nichts zu sehen. Die Luft ist so frostig, dass ich schaudere; wie muss sich dann erst das Wasser anfühlen? Gänsehaut überzieht meine nackten Arme.
    Ich stehe frierend an Deck und lausche. Vielleicht geht das Geräusch ja von allein weg.
    Tschumb. Nö.
    Es kommt vom Heck, irgendwo zwischen dem Pier und dem Boot, wie von etwas Schwerem und Lebendigem, hartnäckig, gefangen. Wir sind das letzte Boot an diesem Pier, was bedeutet, dass der hintere Teil der Elizabeth fast vollständig von der Laterne erhellt wird. Ich weiß nicht, warum ich den Drang verspüre, so leise zu sein. Das Geräusch meiner Schuhe auf dem Deck ist viel zu laut, jeder Schritt lässt mich zusammenzucken, ganz gleich, wie vorsichtig ich auftrete. Ich bahne mir meinen Weg an der Seite des Bootes entlang und halte mich dabei gut an der Reling fest. Sobald das Geräusch direkt unter mir ist, schaue ich runter.
    Nass. Das ist das erste Wort, das mir in den Sinn kommt, bevor ich schreie.
    Durchweicht. Mit Wasser vollgesogen. Das Gesicht nach unten. Oh, Scheiße.
    Es ist kein Fisch; es ist ein Mensch. Ein Mädchen in Jeans und einem kurzärmeligen rosa Pulli. Ihr Haar ist lang und so blond, dass es beinahe weiß wirkt. Es ist eine hübsche Farbe, und sie schimmert unter Wasser. Die Haarsträhnen reichen ihr fast bis zur Hüfte und wiegen sich in der Strömung wie Algen.
    Doch daher rührt das Geräusch nicht. Das machen ihre Füße; ihre Stiefel, um genau zu sein. Sie trägt ein Paar weißer, mit Schmucksteinen verzierter Cowgirl-Stiefel — Stahlkappen-Dekadenz.
    Die Stiefel sind ein Geburtstagsgeschenk ihrer Eltern. Sie hat sie die ganze Nacht lang voller Stolz angehabt, und jetzt ist die Stahlkappe ihres linken Fußes in einem grotesken Winkel zwischen dem Boot und dem Pier eingeklemmt, und bei jeder Welle tritt der Stiefel gegen die Seite der Elizabeth , beinahe, als würde sie versuchen, die Leute an Bord zu wecken.
    Woher ich das alles weiß? Weil es meine Stiefel sind. Genau wie die Klamotten. Das Mädchen im Wasser, das bin ich.
    Ich schreie wieder, laut genug, um jeden im Umkreis von einer Meile aufzuwecken. Doch langsam beschleicht mich das Gefühl, dass mich niemand hören kann.

2
    Wie lange

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