Manchmal muss es eben Mord sein
Elfie seufzte. An Schlaf war ohnehin nicht zu denken, da konnte sie ebenso gut aufstehen und ihr Glück versuchen.
Die Strecke zum Krankenhaus würde sie mitten in der Nacht kaum mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigen können. Es fuhren weder Bus noch Bahn, dafür war es viel zu früh. Widerstrebend holte sie also den Wagen aus der Garage und machte sich auf den Weg. Sie fuhr nicht gern bei Dunkelheit, war ja auch nicht daran gewöhnt. Zum Glück hatte es zu regnen aufgehört. Sie mochte es gar nicht, wenn der Wagen nass und schmutzig wurde, zumal sie ihn erst vor ein paar Tagen hatte waschen lassen.
Wenige Minuten später hatte sie den Krankenhausparkplatz erreicht. Sie stellte den Wagen in einer dunklen Ecke ab und eilte zum Eingang. Der Vorplatz war hell erleuchtet – ebenso wie die Eingangshalle. Keine Möglichkeit, ungesehen hineinzukommen. Am Empfang saß eine Angestellte, die hin und wieder gähnte und offensichtlich in einer Zeitschrift blätterte.
Elfie versteckte sich hinter einem großen feuchttriefenden Fliederbusch. Zwar war der Duft betörend, aber nach kurzer Zeit nahm sie ihn gar nicht mehr wahr, spürte nur noch, wie sie in der Nachtkühle zu frieren begann. Außerdem fiel ihr hin und wieder ein Tropfen in den Nacken undließ sie erschauern. Sie hätte sich doch etwas Wärmeres anziehen sollen. Mein Gott, sie hatte den burgunderfarbenen Pulli vergessen!
Sollte sie noch mal nach Hause fahren und ihn holen? Nein, dazu war jetzt keine Zeit mehr.
Die Minuten vergingen. Die Empfangsdame saß eisern an ihrem Platz. Irgendwann muss sie doch mal müssen, dachte Elfie.
Von weitem näherte sich ein Wagen mit Blaulicht, kam näher, die Lichter zuckten rhythmisch durch die Nacht und verschwanden dann an einem Hintereingang. Vielleicht sollte sie es da versuchen!
Im Schutz einiger parkender Autos schlich sie zum Eingang für die Notfallpatienten. Der Ambulanzwagen stand davor. Die Sirene war abgestellt, aber das Blaulicht blinkte weiterhin so grell, dass es Elfie in den Augen wehtat.
In dem Moment, als sie aus dem Schatten eines Wagens heraustreten wollte, um zum Eingang der Notaufnahme zu huschen, kamen zwei Schwestern und ein Pfleger durch die Tür, lehnten sich an die Wand und steckten sich jeder eine Zigarette an. Sie redeten und lachten drauflos, während Elfie völlig verkrampft dastand. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Sie wartete ein paar Minuten, ohne sich zu bewegen. Ihr Knöchel juckte, in ihrer Nase kribbelte es. Aber es gelang ihr sogar, einen plötzlichen Hustenreiz zu unterdrücken.
Sie senkte den Kopf. Was hatte sie sich nur vorgestellt? Dass sie mitten in der Nacht schnurstracks zu Stefan Windisch ins Zimmer gelangen konnte? Sie musste verrückt gewesen sein. Jetzt in der Nacht war alles noch viel schwieriger. Jeder, der hier unbefugt herumlief, würde sofort auffallen, und es könnten durchaus unangenehme Fragen gestelltwerden. Die Antwort, sie wolle einem Mann, der nicht ihr eigener war, einen nächtlichen Besuch abstatten, würde wenig plausibel klingen.
Nachdem die drei Weißkittel wieder in der Notaufnahme verschwunden waren, trat Elfie mutlos den Rückzug an. Sie ging zu Fuß in Richtung ihrer Wohnung. Erst als es wieder zu regnen anfing und sie nach ihrem Schirm greifen wollte, wurde ihr klar, dass sie ihn im Wagen gelassen hatte. Und der wiederum stand immer noch auf dem Krankenhausparkplatz. Nur noch wenige Minuten von zu Hause entfernt, kehrte sie um und kam völlig durchnässt an ihrem Auto an. Ihr stiegen die Tränen in die Augen.
27 Schweißgebadet erwachte Alex in der Frühe, fühlte sich wie gerädert. Selbst nach einer ausgiebigen Wechseldusche waren ihre Gedanken noch wie vernebelt. Sie kämpfte sich in den Tag, zog sich langsam an, machte sich in der Küche eine Tasse Pulverkaffee. Essen konnte sie nichts. Leise schlich sie durch den Flur, wollte die Schwiegertante nicht stören.
Aber schon erschien Lydia in ihrer Zimmertür. Sie trug ihren Morgenmantel wie einen Hermelin und wirkte putzmunter.
»Du hast mich mit deinem Getrampel geweckt! Noch nicht einmal am Samstag kann man ausschlafen. Jedenfalls brauche ich sofort einen schönen heißen Kaffee. Aber bitte nicht wieder mit diesem widerlichen Pulver!« Angeekelt verzog sie das Gesicht.
Alex ging wortlos in die Küche und stellte die Kaffeemaschine an. Eine zweite Tasse würde ihr auch guttun.
Ȇbrigens, gestern Abend, nachdem du so schnell verschwunden warst, hat Hubertus noch angerufen. Er hat eine
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