Mandels Buero
Zweisamkeit.«
»Ja, ja, ich weiß, das sind alte Kumpels. Deshalb bist du nicht hier, oder?«
»Na ja, wo du und der Urbaniak doch in der Causa Soloalbum ausdrückliche Gegner seid, wundert mich das schon mit dem Geklüngel. Ich weiß ja nicht, wie viel du dem Edelstein erzählst, aber unser Wissensvorsprung mit dem Rechner vom Leo ist dahin, wenn der Urbaniak davon erfährt.«
»Habt ihr denn schon was auf dem Rechner gefunden?«, fragte die Malleck.
»Ich habe grade einen Spezialisten dransitzen. Während wir hier sprechen, zerlegt der das Ding in einzelne Nullen und Einsen«, sagte ich und dachte an den Dieter im Büro.
»Ach, Unsinn, der Holger erzählt dem Urbaniak nix. Der weiß, wem seine Loyalität gehört. Du, Sigi, sei mir nicht bös, aber ich muss dringend wieder drehen. Ich ruf dich an, ja? Ciao, ciao, Bussi.«
Sie gab mir einen kleinen Kuss auf den Hals und schwebte davon. Die Leute am Set sahen mich an, und ich zuckte mit den Schultern. Ich ging wieder zum Ausgang und wollte gerade gehen, als der Security-Mann mich zurückhielt.
»Jetzt nicht. Es gibt Stunk draußen«, sagte er.
»Was ist denn los?«, fragte ich.
»Ein paar Rechte haben sich vor der Halle versammelt.«
»Ein paar Rechte? Was für Rechte?«, fragte ich, aber der Sicherheitsmensch hatte sich wieder einem Kollegen zugewandt. Ich ging zurück, suchte die Malleck. Sie stand bei Ralf Deininger, dem Mogul, ein paar Meter weiter.
»Hallo, ich bin der Sigi,«, sagte ich und streckte dem Deininger die Hand hin.
»Deininger, angenehm«, erwiderte er und gab mir nicht die Hand. Er trug einen Parka mit Pelzkragen und hatte die Hände voll mit Zetteln.
»Was ist denn los?«, wollte ich wissen. Die Malleck sah den Deininger an, als wäre das alles seine Schuld.
»Ach, nichts ist los«, sagte der Deininger, und seine Stimme klang so süddeutsch jovial, als würde er dich jeden Moment auf eine Halbe im Biergarten einladen wollen. Seine Augen blieben ausdruckslos, aber das ist oft so bei Leuten mit dunkelbraunen Augen.
»Ein paar so Heinis wichsen sich einen drauf ab, dass wir einen Film über die Braut des Führers drehen und sind jetzt ganz wild auf die Veroni.«
Die Malleck verdrehte die Augen.
»Aber ihr stellt die Eva Braun ja nicht als Frau von Welt dar, oder? Die Alte war doch strunzblöd«, sagte ich.
»Na ja, das muss man schon ein bisschen differenzierter sehen«, sagte der Deininger und sah die Malleck dabei eindringlich an. Die zuckte gelangweilt mit den Schultern.
»Sigi, geh doch einfach zum Seitenausgang hinaus«, sagte die Malleck, »der Pierre zeigt dir den Weg.«
»Pierre!«, schrie die Malleck, und ein dünner junger Mann mit Unmengen von Gel in den Haaren und einem T-Shirt mit V-Ausschnitt kam angetrabt.
»Pierre, sei ein Schatzi und zeig dem Sigi, wie er zum Seitenausgang kommt.«
Pierre tat, wie ihm geheißen, und führte mich in einen anderen Teil dieser unverschämt langen Halle.
»Die Halle ist für Fritz Langs Metropolis gebaut worden«, klärte mich Pierre auf.
»Aha«, sagte ich.
»Und hier in der Großen Nord bauen sie grade das Adlon von vor dem Zweiten Weltkrieg nach. Also nur die Außenfassade.« Pierre deutete auf ein Gerüst.
»Aha«, sagte ich und war froh, als die Studiotour ein Ende hatte und ich die Halle verlassen konnte. Ich stand jetzt draußen, ziemlich weit weg vom Haupteingang. Ich beobachtete aus der Entfernung eine Zusammenrottung von Menschen, die eine Art Kette um den Eingang gebildet hatten. Ich näherte mich der Ansammlung und schaute mir die Leute aus der Menschenkette genauer an. Es waren ausschließlich Männer, davon manche ohne Haare und mit Anoraks, aber die meisten eher mit Baseballcaps, Polohemden, Jeans und Turnschuhen. Einer sogar weißes Hemd und schwarze Krawatte. Diese Leute trugen ein Banner, auf dem stand: Eva Braun – Deutschland bleibt dir treu .
Das war ja hochgradig grotesk, was der Hitlerkult hierzulande immer noch für Blüten trieb. In der eigenen Weltsicht erschienen einem solche Leute ja immer ganz und gar unmöglich. So unmöglich, dass schon gar nicht mehr existent. Was geht in den Köpfen von Leuten vor, die eine Pro-Eva-Braun-Demo abhalten? Wollten die Leute dem Deininger über die Schulter schauen, ob er auch historisch akkurat arbeitet, oder war die Malleck für sie die Reinkarnation von ihrem Evchen? Waren sie so von ihrem eigenen Kult berauscht, dass sie nicht mehr zwischen einer historischen Figur und einer Schauspielerin unterscheiden konnten?
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