Mann meiner Sehnsucht (German Edition)
eine Lektion erteilt hatte, die sie, wie er bei jedem Schlag betonte, Zeit ihres Lebens nicht vergessen würde.
Er hatte Recht behalten. Hope hatte ihn nie wieder um irgend etwas gebeten. Sie hatte jede Arbeit verrichtet, die er ihr zugewiesen hatte, sich geduckt, wenn er sie angeschrieen hatte und versucht, sich zu schützen, wenn er sie verprügelte. Und dazu brauchte Cummings, wie sie schnell bemerkt hatte, noch nicht einmal einen Grund. Es grenzte an ein Wunder, dass er heute ihre Träumerei nur mit einer Backpfeife und Beschimpfungen geahndet hatte.
Nur kurz bedauerte Hope, dass Cummings es gewesen war, der sie entdeckt hatte. Für gewöhnlich schickte er Vernon, einen großen rothaarigen Iren unbestimmten Alters, der ebenfalls für ihn arbeitete. Vernon O’Herlihy war ganz in Ordnung, solange er nüchtern war. Nicht allzu helle, aber ganz verträglich. Wenn er jedoch getrunken hatte, konnte er gewalttätig, ja regelrecht bösartig werden, so dass Hope gelernt hatte, ihm dann aus dem Weg zu gehen.
“Und mach ja die Flaschen fertig, Hopp!”, drang Cummings’ ungeduldige Stimme durch die Plane. “Und Gnade dir Gott, wenn ich dich noch einmal beim Faulenzen erwische, dann mache ich dir Beine.”
Hopp.
Jeder nannte sie so, denn sie hatte zu springen, wenn Cummings es befahl.
Hopp.
Irgendwann im Laufe der Jahre hatte sie sogar aufgehört, diesen Namen zu hassen, denn er symbolisierte alles, was sie für ihre Umwelt war.
Hopp.
Beinahe solange sie denken konnte, war sie Hopp gewesen, und manchmal vergaß sie sogar, dass ihr Name nicht Hopp war, sondern Hope – Hoffnung.
Hope.
Warum hatten ihre Eltern sie so genannt? War sie ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft gewesen? Sie wusste es nicht, und diese Frage würde ihr auch nie jemand beantworten können. Ihre Eltern waren schon seit Jahren tot, gestorben auf dem Siedlertreck, mit dem sie in ein neues Leben aufgebrochen waren. Die Mitglieder des Trecks hatte sie anschließend mitgenommen bis nach Silver Springs, weil in der Nähe der Stadt ihr Großvater leben sollte, dem sie bis dahin noch nie begegnet war und der von ihrer Existenz noch nicht einmal etwas geahnt hatte.
Hope seufzte. Ihr Großvater war über ihre Ankunft alles andere als erfreut gewesen. Was er denn mit einem kleinen Mädchen anfangen solle, hatte er gewettert, ganz allein in der Wildnis. Goldschürfer sei er, jawoll, und kein verdammtes Kindermädchen. Jemand anderes sollte sich gefälligst um das Balg kümmern, jemand, bei dem es besser aufgehoben wäre.
Aber es hatte sich niemand gefunden. Silver Springs war kaum mehr gewesen als eine armselige Ansammlung von Holzhütten, wild und rau und somit noch weit weniger geeignet für ein kleines Mädchen als die entlegene Goldmine ihres bärbeißigen Großvaters. Wäre sie ein Junge gewesen, hätte sich vielleicht eine der hart arbeitenden Familien ihrer erbarmt und sie aufgenommen, weil sie dann eines Tages kräftig mit anfassen konnte, aber für ein Mädchen hatte sich keine andere rettende Zuflucht gefunden.
Tränen traten Hope in die Augen, als sie an ihren Großvater dachte. Er mochte griesgrämig und launisch gewesen sein, ganz bestimmt sogar, aber er hatte sie geliebt. Nachdem er seinen anfänglichen Unmut überwunden hatte, hatte er derbe, warme Kleidung für die knapp sechsjährige Tochter seines einzigen Sohnes gekauft, sie zusammen mit seinen Vorräten wie einen weiteren Sack Mehl auf den Wagen geladen und war mit ihr zu seiner Mine in den Bergen gerumpelt. Auf dem Weg dorthin hatte er kein einziges Wort gesprochen. Noch nicht einmal angesehen hatte er sie, und Hope hatte heldenhaft versucht, ihre Tränen zurückzuhalten, während sie auf das wiegende Hinterteil des dahinzuckelnden Mulis starrte.
Am Ziel angekommen sprang ihr Großvater vom Bock und streckte dann seine Arme nach ihr aus, um ihr zu helfen, aber Hope ignorierte ihn und stieg allein ab. Es war schwierig. Sie war zu klein, ihre Arme und Beine zu kurz, um den Boden zu erreichen, aber sie schaffte es. Wenn er sie nicht wollte, dann wollte sie ihn auch nicht.
Falls sie ihren Großvater damit verletzte, so zeigte er es nicht, sondern machte sich daran, die Vorräte abzuladen.
“Kannst du kochen?”, fragte er unvermittelt, und Hope schüttelte zögernd den Kopf.
“Dann komm mit, damit du’s lernst. Dann kannst du dich wenigstens nützlich machen. Ich kann keinen unnützen Esser gebrauchen.” Damit wandte er sich um und schritt, einen großen Sack Mehl über
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