Mann mit Grill sucht Frau mit Kohle
wirklich ernst zu meinen. Und ich hatte noch gehofft, ich sei mit meiner Antwort auf die Anzeige fein raus aus der Mutprobe, weil nie eine Rückmeldung kommen würde. Nix da. Unten drunter steht noch, dass sie mir ein erstes unverbindliches Kennenlernen an einem neutralen Ort vorschlagen und dass sie beide Akademiker sind, viel lachen, »recht chic unterwegs« seien und sich gut vorstellen können, dass ich sie nett finde.
Ah, ich mag Bescheidenheit. Wer Dreier will, muss draufgängerisch sein. Egal, ich bin zu neugierig. Und nehme die Einladung an. Nicht ganz, ohne zumindest einen Moment an meine Eltern denken zu müssen. Und an die heile Welt, die sie mir aufgebaut haben. In der war von Dreiern eher selten die Rede.
In der von Stefan und Sina offenbar schon. Sie wollen sich mit mir im Café am Neuen See treffen. Bei Sympathie könne man ja gleich »in See stechen«. Jetzt wirdâs eklig. Es sei doch nett, die Freuden des Sommers zusammen genieÃen zu können, schreiben sie. Ja, da haben sie wiederum recht. Ich sage zu. »Sehr schön, ich freue mich«, antworte ich. In meinem Kopf starten Horrorszenarien à la Fritzl, Dutroux und Co. Und von Kollegen, die mich mit der Kamera aufs Gesicht gerichtet bloÃstellen wollen â und die Milosz instruiert hat.
Das mit dem Café am Neuen See ziehen Stefan und Sina dann doch noch zurück. Sie wollen sich gleich mit mir im Hotel treffen. Ob ich dafür zu schüchtern sei? Nein. Angucken zählt nicht. Ist ja reine Recherche. Ist klar.
Treffen an einem Mittwochabend im Motel One am Hauptbahnhof. Wir haben ausgemacht, uns erst einmal auf einen Prosecco zusammen in die Lounge zu setzen und kennenzulernen. Und wenn wir uns gefallen sollten, das »Projekt« bei einem zweiten Treffen anzugehen.
Als ich zum verabredeten Zeitpunkt an der Ampel gegenüber vom Hotel auf Grün warte, sehe ich ein Pärchen in den Hoteleingang laufen. Und erschrecke mich vor mir selbst.
Spontan möchte ich mein Ãber-Ich töten â und gleich mit ihnen hochgehen. Sofern das Stefan und Sina sein sollten. Unfassbar heià sehen sie aus. Besonders Sina. Ich verwerfe die letzten »Deine-Eltern-sind-immer-bei-dir«Gedanken und folge. Das können die doch nicht sein, denke ich ⦠Sind sie aber. Stefan, kurze dunkelblonde Haare, leicht gräulich meliert, ich tippe auf Mitte 40, sehr sportlich, kommt im perfekt figurbetonten Designerhemd und mit wahnsinnig hellen Augen auf mich zu, als er mich in die Lobby treten sieht. »Alexandra?« â »Ja, Stefan?« â »Ja, schön, dass du da bist, toll siehst du aus ⦠Komm, ich stell dir Sina vor.«
Sina sitzt schon an der Bar. Im kurzen Schwarzen, perfekte Beine übereinander geschwungen, die blonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, schaut sie mir prüfend entgegen. Ihr einziger Schmuck: eine ultrabreite Armbanduhr. Sie ist kaum geschminkt, sieht aber dennoch nach ziemlich teurer Creme aus. Solche für morgens, mittags, abends und selbstverständlich und ganz besonders wichtig auch für nachts. Ach, was soll der Geiz, sie schmiert sich garantiert täglich diverse Cremes aufs Gesicht, die für die noch nicht vorhandenen Fältchen am Augenlid, die für die Mundpartie und die für eventuelle Mischhautstirn.
Ende 30 dürfte Sina sein.
»Hey, du musst Alexandra sein«, haucht Sina und schaut Stefan verstohlen an. »Lass uns doch schon mal hinten in die Sitzecke gehen â Stefan holt uns noch Prosecco zum AnstoÃen.« Befohlen, befolgt. Ich laufe Sina Richtung hinterste Ecke der Lobby nach, und wir setzen uns auf zwei nebeneinander stehende Sessel. Gegenüber wartet ein Stuhl auf Stefan. »Schön, dass du dich doch getraut hast«, sagt Sina. Das »o« beim »doch« fällt etwas dumpfer als gewöhnlich aus, denke ich, klingt nach russischem Akzent. »Ja, obwohl ich zugeben muss, dass ich ziemlich nervös bin«, sage ich. Ob sie sieht, dass ich schwitze wie ein Schwein?
»Sehe ich«, sagt Sina, »aber du musst nicht aufgeregt sein. So oft machen wir das ja auch nicht.« Sie zieht die Vokale in die Länge. »Sag mal, ich muss das gleich loswerden, aber ihr zwei seid verheiratet und glücklich, ja?«, frage ich. Sie nickt. »Seit über zehn Jahren, ja.« »Stört dich denn gar nicht, wenn eine zweite Frau dazukommt?« Sina grinst. »Nein. Das war ein
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