Mann mit Grill sucht Frau mit Kohle
eine Sprite mit einem Schuss Ameisensäure: »Ich lache gern«, war da zu lesen.
Zu lachen hatte ich nichts. Meine halbe Schulklasse dagegen schon.
Am Montagmorgen war das Coolness-Konto von Herrn Matuschek jedenfalls immer ziemlich leer und musste erst mühsam über die ganze Woche hin aufgebaut werden, bevor es am Wochenende dann erneut ins Minus rutschte. Das war mein persönlicher »Mythos des Sisyphos« in einer bayerischen Kleinstadt Ende der 90er-Jahre.
Also, wie gesagt: Ich googele aus Prinzip nicht. Okay, wenn Simone aus Recklinghausen in einem MädchenÂforum Fragen zu Intimkrankheiten stellt oder Partyfotos von sich aus einer Zeit postet, als sie noch in München lebte, Andreas hieà und aussah wie eine Mischung aus Freddie Mercury und dem Cowboy von YMCA, dann interessiert mich das auch. Aber wann hat man das schon? Die Leute sind ja in der Regel normal.
Bei »Töff-Töff29« hätte ich mal lieber gegoogelt. Oder jemanden gefragt, der sich mit so was auskennt. Auf dem Foto strahlt mir eine junge Mutter mit langen braunen Locken entgegen, Typ: Exballetttänzerin oder Geigerin. Im Statement stehen Sätze wie: »Liegt ein Auge auf dem Tresen, ist ein Zombie da gewesen.« Und: »Was sagt ein groÃer Stift zu einem kleinen Stift? â Wachsmalstift.« Na ja, Humor halt, denke ich und verabrede mich mit ihr auf einen DVD-Abend. Sie soll die DVDs besorgen. Davor treffen wir uns aber noch im Café, um die ganz groÃe Ãberraschung auszuschlieÃen.
Der gefährlichste Job der Welt ist nicht der des Plüschhasen in FuÃgängerzonen, Putze bei McDonaldâs oder Tandem-Bungee-Partner von Reiner Calmund. Der gefährlichste Job der Welt ist es, Psychologe für verheiratete junge Muttis spielen zu müssen. Dabei hatte sie mich sogar gewarnt.
»Du erkennst mich an einer total bescheuerten Mütze«, lese ich in ihrer letzten SMS kurz vor dem Date.
Wie klein die Enttäuschung doch ist, wenn die Erwartungen niedrig sind, denke ich und ziehe die SonnenÂgöttin der Azteken mitsamt ihrer ein Meter hohen roten Zipfelmütze in ein Hipster-Café mit Oma-Möbeln. Dann beginne ich das Gespräch auf die denkbar schlechteste Weise. Ich stelle eine Frage. Wie denn das Wochenende bisher gelaufen sei?
Erst mal folgt ein langes »Aaaaaa-a-a-a-lso«, dann eine Kunstpause, womöglich um die Spannung noch zu steigern.
»Aaaa-lso, von zehn bis zwölf Uhr Kinderschwimmkurs, danach die meiste Zeit in der S-Bahn rumgesessen«, schieÃt es aus ihr heraus.
Was danach folgt, ist eigentlich keine Antwort mehr, sondern erinnert an ein angeschossenes Bierfass. Sprechdurchfall ist noch eine Verharmlosung, denn der kommt wenigstens schubweise. Gegen Töff-Töff ist die hysterische Schülerin aus American Pie , die ständig Geschichten aus dem Ferienlager erzählt, eine Nonne mit Schweigegelübde.
»Woran liegt es, dass ihr keinen Sex mehr habt?«, will Hansi Freud wissen. Wir sind inzwischen bei ihren Problemen angekommen. Seit fünf Jahren ist sie verheiratet und seitdem unberührt. Aus dem »Erstkontakt« entstand ein Kind.
»Aaaaach, lange Geschichte. Pschhhttt!« Sie schüttet sich ihr ganzes Ginger Ale mit einem Dreh aus dem Handgelenk ins Glas. Ich fürchte, ich habe an der falschen Schleuse gedreht. Ihr Ehemann ist ein Computer-Nerd, zockt zwölf Stunden am Tag »World of Warcraft« und interessiert sich sonst nur für Mathematik.
»Das kann ich nicht glauben«, sage ich. »Und wie stillt er sein Sexualbedürfnis?« â »Oooch, mit seinen Pornos.« â »Und wie stillst du dein Sexualbedürfnis?« â »Oooch, ich hab mein Spielzeug.«
Ich kann mir das gar nicht so richtig vorstellen, dass jemand für Sex so gänzlich unbegabt ist. So viel kann man da doch gar nicht falsch machen.
»Wo liegt denn das Problem?«, frage ich im Therapeutentonfall.
»Dat weà ick och nich, der zieht mir an die Haare und rammt mir immer den Ellbogen rein. Der kann dit einfach nich!«
Hmm. Es gibt also tatsächlich Dinge, die man beim Sex nicht tun sollte. Mathematisch gesprochen könnte man sagen: Er dividiert durch Null. Langsam dämmert mir auch, warum sie so viel quasselt. Wenn im Erdgeschoss die Herdplatte heià ist, kocht im ersten Stock der Topf über. Schon Freud wusste, dass aufgestaute Energie einen Blitzableiter braucht.
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