Manner Lieben
gehören könnte. Raphael verfluchte sich, weil ihn seine neue Erkenntnis wirklich hatte nervös werden lassen. Wenn er sich jetzt nicht zusammen riss, würde selbst einer Hete sofort auffallen, was mit ihm los war — der Gedanke machte ihn nicht gerade ruhiger.
Passenderweise kam sein Gastgeber just in diesem Moment mit dem Kaffee zurück. Er stellte eine Tasse vor Raphael auf den Tisch und setzte sich dann selbst in einen Sessel, der gegenüber dem seines Gastes stand. Thilo hatte bereits an seinem eigenen Kaffee genippt, als er fragte: „Brauchen Sie Milch? Zucker?" Raphael winkte ab: „Alles bestens!" Stimmte nicht! Bestens wäre es gewesen, wenn er noch Hoffnung auf den Mann hätte haben dürfen. Er schlürfte ebenfalls an seinem heißen Getränk und überlegte, wie er sich möglichst schnell wieder verabschieden konnte. Vielleicht müsste Derrick als Vorwand herhalten. Der einsame Kater, der sich ohne ihn so verlassen fühlte — okay, das hinkte etwas, denn ein paar Stunden mehr hielt so ein Katzenvieh es schon ohne ständige Ansprache problemlos aus. Das wusste wohl auch ein Hundehalter wie Thilo. „Ist es unverschämt, wenn ich Ihnen das Du anbiete?", fragte Thilo in Raphaels Gedanken hinein.
Unverschämt? Unverschämt war wohl eher, dass Raphael einfach nicht damit aufhören konnte, sich zu fragen, wie sein Gegenüber ohne Hemd aussah.
„Nein, gar nicht — im Gegenteil! Ich würde mich sehr freuen." Raphael konnte kaum fassen, wie artig er klang. Seine Gedanken waren nicht artig, sein Mundwerk schon, obwohl er wusste, zu welch unartigen Dingen es fähig war, wenn man ihm nur die Gelegenheit dazu ließ.
Thilo lächelte.
„Und was machst du beruflich?", fragte er dann.
Raphael deutete eine wegwerfende Handbewegung an.
„Ich arbeite bei einer Eventagentur."
Thilo hob interessiert eine Augenbraue.
„Das klingt spannend! Was organisiert die denn so?"
„Ach, alles Mögliche", wich Raphael so eindeutig aus, dass er damit offensichtlich erst recht die Neugier des anderen weckte.
„Hast du gerade Urlaub? Magst du deshalb nicht über den Job reden?"
Raphael nickte halbherzig. Schließlich sagte er resigniert: „Es sind Gay-Events, okay?"
Thilo betrachtete ihn einen Moment lang, dann atmete er tief durch. Er schien all seinen Mut für die nächste Frage zu sammeln und Raphael ahnte, was nun kam. „Dann bist du . schwul?"
„Man muss nicht schwul sein, um dort zu arbeiten", erwiderte er lahm.
„Aber du bist es, oder?", fragte Thilo nun forschend.
„Yap", sagte Raphael so lässig wie möglich.
„Das ist . äh . cool", kam es von seinem Gastgeber und er stellte seine Tasse auf den Tisch, um die Arme vor der Brust zu verschränken. Deutlicher hätte seine Körpersprache kaum sein können, und Raphael lachte leise gequält auf.
„Bist du mir zu Hilfe gekommen, weil ich dir gefallen habe, oder einfach nur so?"
Oje, das artete in ein Verhör aus — obwohl Raphael überrascht war, dass Thilo überhaupt fragte, statt sich möglichst schnell einem belanglosen Thema zuzuwenden. Das Wetter wäre durchaus geeignet, um über etwas zu sprechen, das nichts Persönliches berührte. Thilos Frage war jedoch sehr persönlich! Raphael spürte, dass er Gesichtsfarbe hinzugewann. „Du hast mir gefallen", gab er zu. „Ich helfe aber auch Leuten, die mir nicht gefallen. Äh ... Ich meine, die nicht so attraktiv sind, wie du. Ach . Also, eigentlich war ich erstmal daran
interessiert, was du da getrieben hast. Das sah schon schräg aus, als du da rufend im Regen standest." „Schräg? Ja, das kann ich mir vorstellen."
Stille entstand. Raphael trank eilig seinen Kaffee leer. Als er die Tasse hastig auf dem Tisch abstellte, fragte Thilo: „Fühlst du dich unwohl bei mir?"
Erstaunt riss Raphael die Augen auf und erwiderte: „Die Frage ist doch wohl eher, ob du dich in meiner Nähe unwohl fühlst." „Tue ich nicht", sagte Thilo und lächelte.
Raphael fixierte ihn. „Ich finde es nett, dass du das sagst, aber
ich sollte jetzt besser gehen."
„Wie ist das so — schwul zu sein, meine ich."
Raphael schüttelte kurz unwillig den Kopf.
„Ich mag solche Spielchen nicht. Ich meine, ich könnte dir natürlich sagen, wie ich mich fühle. Was ich denke. Worauf ich stehe. Aber wozu? Ist doch unter dem Strich auch nicht anders, als bei dir und deiner Frau. Ich verliebe mich. Ich sehne mich nach Berührung. Ich möchte mit jemandem ins Bett. Und letztendlich suche ich den einen, mit dem ich alt und glücklich
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