Manta 02 - Orn
sein Hunger erforderte, wie verwundbar die Beute auch sein mochte.
Die Luft war kalt, als er aß, und die Wärme des Fleisches verflüchtigte sich schnell. Fast wünschte er sich ein bißchen mehr Aktivität in den alten Feuertrichtern. Fast.
Am Morgen hatte er die Spalte hinter sich gelassen und überquerte nun die abschüssige Seite des kleineren Berges. Er versteifte seine Federn gegen den eisigen Wind, der in dieser Höhe wehte. Dann hatte er den Paß überwunden. Auf der anderen Seite war es wärmer - zu warm: Er roch den Rauch eines aktiven Vulkans.
Es gab keine Möglichkeit, ihm zu entgehen. Die Kälte dieser Höhen zwang ihn, die niedrigsten Täler aufzusuchen, und aus der großen Mulde vor ihm erhob sich der lebendige Krater. Feuer umtanzten seinen Gipfel und wurden von den darüber hängenden Wolken reflektiert. Als Orn näherkam, zitterte der Boden unheilvoll.
Er brauchte einen vollen Tag für seinen Grenzbereich und beobachtete jede seiner bösartigen Gesten. Er war kein Lavaberg, sondern gehörte zur viel tödlicheren Gas- und Asche-Kategorie. In seiner Nähe wuchsen keine Pflanzen; dennoch fand er zwischen den umgestürzten Felsen seines Perimeters Gliederfüßer und einen abgestandenen Teich, so daß er Hunger und Durst zum Teil stillen konnte.
Auf dem südlichen Abhang erwischte ihn der Vulkan. Monströse Gase wirbelten aus seinem grausamen Schlund und bildeten eine knospende Wolke, die aus sich selbst heraus leuchtete. Als es Nacht wurde, trieb diese Wolke nach Süden - hinter Orn her. Als sie näherkam, sich ganz langsam bewegend, wie es schien, ergoß sich Regen aus ihr: ein Strom von weißglühenden
Tropfen, die sich massig auf dem Boden sammelten.
Orn flüchtete davor in dem Bewußtsein, daß die kleinste Berührung dieses wilden Sturms Vernichtung bedeutete. Er entkam, aber der Rückzug war ihm abgeschnitten. Er konnte nicht ahnen, was vor ihm lag, aber er wußte, daß hinter ihm der Tod lag.
Erschöpft ließ er sich schließlich auf einem schroffen Felsbrocken nieder und schlief unruhig inmitten der dahintreibenden Gase des Vulkans. In der gesamten düsteren Gegend lebte nichts außer ihm.
Am nächsten Tag erreichte er eine Quelle mit kochendem Wasser. Wo es in ein Bassin überlief und sich ausreichend abkühlte, wusch er sich den Ruß aus den Federn und fühlte sich wieder sauber. Die Gliederfüßer kehrten zurück. Er scharrte nach Larven und hatte eine kleine Mahlzeit.
Danach gab es mehr ebenen Boden, und er kam gut voran, obwohl der außergewöhnlich rauhe Untergrund seine Füße aufscheuerte. Die Felsen waren warm, was nicht allein von der Sonne kam, und es gab viele heiße Teiche. Er wusch sich vorsichtig und trank das intensiv riechende Wasser mit einigen Bedenken, fand aber keine Fische. Er ging dem kochenden Schlamm, den dampfenden Erdspalten und vor allem den aktiven Kratern aus dem Weg.
Es war eine schreckliche Landschaft, schroff aus der Feme, kahl und tot aus der Nähe. Er sehnte sich nach ihrem Ende und fürchtete, daß es kein Ende gab. Ohne seine Erinnerungen, die ihn leiten konnten, fühlte er sich verwundbar.
Allmählich wurde das Land zur Wüste, und obwohl Orn sehr gut voran kam, blieb er für zwei Tage ohne Nahrung. Auf Grund seines schnell arbeitenden Metabolismus würde ein dritter Tag das Ende für ihn bedeuten. Nicht auf einmal, aber in einer Weise, die ihn so entkräften würde, daß ein mögliches Entkommen verhindert wurde. Aber ihm fehlten auch die Reserven, um zurückzugehen. Er schleppte sich weiter. Es gab keine andere Möglichkeit.
Obgleich der Abend Erlösung von der Hitze brachte, war dies nur ein schwacher Trost. Die Kälte war schneidend, und er mußte sich vor ihr schützen, indem er sich im Schlafsitz halb in den Staub eingrub. Jetzt hatte er keine Möglichkeiten mehr, seine Federn richtig zu säubern oder den schrecklichen Durst zu vertreiben. So wie ihm das Land die Feuchtigkeit aus dem Körper saugte, fühlte er sich fast wie ein Säuger. Aber kein Säuger hätte so weit wandern können.
Am zweiten Morgen blieb er eine Zeitlang steif liegen und wartete darauf, daß die Sonne ein bißchen Energie in seinem Körper freisetzte. Unter den zerzausten und schlecht isolierenden Federn war sein Fleisch ausgetrocknet, aber er wußte, daß es am Tag noch mehr austrocknen würde. War es bequemer, sich zur letzten Anstrengung aufzuraffen oder einfach liegenzubleiben und dem Tod friedlich entgegenzublicken? Über der hell werdenden Wüste sah er, wie
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