Manta 02 - Orn
teilnahmslos, vielleicht abgestumpft durch die Monotonie des Wellengangs. Veg war mit Schaum befleckt, Cal lehnte sich jetzt gegen die Kabine. Die vier Mantas befanden sich noch an derselben Stelle. Natürlich würden sie im direkten Sonnenlicht keine Exkursionen unternehmen. Das Licht war zu grell für ihre Augen.
»Tennis, irgend jemand?« erkundigte sie sich mit spöttischer Heiterkeit. »Oder vielleicht Abendessen?«
Aber niemand antwortete, und sie selbst war auch nicht hungrig. Sie hatten für mehrere Tage Verpflegung an Bord, so daß es nicht nötig war, auf die Jagd zu gehen. Noch nicht.
Sie grübelte darüber nach, denn sie fühlte sich schon wieder schlechter. Angenommen, die Karte stimmte nicht, und Kalifornien lag nicht im Umkreis von fünfhundert oder sechshundert Kilometern? Angenommen, sie mußten zwei Wochen auf dem Floß bleiben? Bis dahin würden der eingelagerte Proviant und das Wasser aufgebraucht sein. Wenn sie überleben wollten, mußten sie fischen, das Fleisch verzehren und aus den Fischkörpern die Flüssigkeit herausholen, um sie zu trinken. Es war machbar. Sie alle kannten die Technik, und die erforderlichen Gerätschaften befanden sich in der Erste-HilfeAusrüstung des Rettungsbootes. Aber Veg rührte selbst keinen Fisch an und würde sich vielleicht weigern, welchen für die anderen zu fangen. Sie konnte es ihrerseits tun, aber sie teilte Vegs Standpunkt jetzt in beträchtlichem Maße, obgleich ihr Verstand dagegen sprach. Aber sie war sich nicht sicher, ob sie wirklich zu einer omnivori- schen Nahrungsaufnahme zurückkehren würde. Sie würde sich unsauber dabei fühlen. Würde sie Fisch essen und Fischsäfte trinken, wenn sie hungrig genug war? Würde sie eine andere lebende, empfindende Kreatur töten, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen? Sie wußte es nicht, aber das Gefühl, daß sie es tun mochte, rief Übelkeit hervor.
Welchen Wert hatte ein moralischer Standpunkt, wenn man ihn in dem Augenblick aufgab, in dem er unvorteilhaft und unbequem wurde?
Sie wechselten sich beim Schlafen ab - immer nur einer. Nicht aus einem Drang zur Privatsphäre heraus, sondern um zu gewährleisten, daß immer zwei den möglichen Gefahren des Meers wachsam gegenüberstanden. Ihre gemeinsame Seekrankheit war verantwortlich für den Pessimismus über den Ausgang der Reise, glaubte sie, aber inzwischen war die Vorsicht- nahme ihr einziger Zeitvertreib.
Sie lag allein in der Kabine und lauschte dem Klatschen der Wellen gegen die Bohlen, während sie versuchte, das eindringende Salzwasser zu ignorieren, das in unregelmäßigen Abständen ihre unteren Körperpartien überschwemmte. Im Laufe der Zeit, das wußte sie, würde sie den Reflex entwickeln, in diesen wesentlichen Sekunden selbst im Schlaf die Luft anzuhalten und die unfreiwilligen Duschen nicht einmal zu bemerken. Menschliche Wesen waren anpassungsfähig. Deshalb überlebten sie.
Überleben. Es schien in jüngster Zeit weniger und weniger ereichbar zu sein. Wie vergnügt harte sie sich für diese magenverrenkende Fahrt ausgesprochen! Cal hatte wenigstens vorausgesehen, was auf sie zukam. Man setzte sich über sein Urteil nur auf eigene Gefahr hinweg. Nun war es zu spät, den Kurs zu ändern. Die Kraft des Windes, der sie vorantrieb, würde es nicht erlauben. Mit diesem plumpen Vehikel konnten sie die Brisen nicht richtig nutzen. Und selbst wenn sie es könnten, würde es zweimal so lange dauern (bestenfalls!), zu ihrer Insel zurückzukehren, als sie für die Fahrt nach draußen gebraucht harten. Es gab keine Möglichkeit, auch nur noch einen Tag ozeanischer Wildheit zu überstehen.
Aber sie war todmüde und mußte schlafen. Die Mantas schienen sich auf dem Kabinendach ganz wohl zu fühlen warum konnte sie es hier nicht auch? Allmählich akklimatisierte sie sich und fiel in ein unruhiges Traumstadium, das immer wieder durch zehnsekündige kalte Schocks unterbrochen wurde, wenn die Pseudoflut sie berührte.
Sie fand sich. Nein, nicht in ihrem schnuckeligen Apartment auf der Erde, denn dessen physische Bequemlichkeit verblaßte angesichts des intellektuellen Horrors, auf den sie sich stützte. Sie mochte die Erde nicht. Es gab keine angenehmen Erinnerungen, die sie daran banden. Der Weltraum bedeutete ihr mehr, Nacre bedeutete ihr mehr und auch die zwanglose, sexlose Kameradschaft dieser beiden Männer. Ihr Traum beschäftigte sich mit aktuellen Dingen: dem Tag und der Nacht, die sie gerade auf der Insel verbracht hatten.
Sie stand da
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