Mantel, Hilary
gab auch seinen Jüngern nicht den Auftrag zu
herrschen. Er gab nicht einem seiner Jünger mehr Macht als einem anderen; wenn
man glaubt, das hätte er, sollte man noch einmal die Verse über Petrus lesen.
Christus hat keine Päpste gemacht. Er gab seinen Anhängern nicht die Macht,
Gesetze zu erlassen oder Steuern zu erheben; beides haben Kirchenleute als ihr
Recht beansprucht.
Henry sagt: »Ich kann mich
nicht daran erinnern, dass der Kardinal je davon gesprochen hat.«
»Würden Sie das, wenn Sie
Kardinal wären?«
Wenn Christus seine Anhänger
nicht zur weltlichen Macht gedrängt hat, wie kann da behauptet werden, dass die
heutigen Fürsten ihre Macht vom Papst erhalten? Tatsächlich sind alle Priester
Untertanen, denn als solche hat Christus sie belassen. Es steht dem Fürsten zu,
die Gesamtheit seiner Bürger zu regieren, zu sagen, wer verheiratet ist und wer
heiraten kann, wer ein Bastard ist und wer ein legitimes Kind.
Woher bekommt der Fürst seine
Macht und die Macht, das Recht durchzusetzen? Er bekommt sie durch eine
gesetzgebende Körperschaft, die im Namen der Bürger handelt. Es ist der Wille
des Volkes, wie er sich im Parlament ausdrückt, aus dem ein König sein Königtum
ableitet.
Als er das sagt, scheint
Henry die Ohren zu spitzen, als würde er den Lärm des Volkes hören, das über
die Straße gerannt kommt, um ihn aus seinem Palast zu werfen. Er beruhigt ihn
in diesem Punkt: Marsilius legitimiert Rebellen nicht. Bürger dürfen sich
zusammenschließen, um einen Despoten zu stürzen, aber er, Henry, ist kein
Despot; er ist ein Monarch, der dem Gesetz gemäß regiert. Henry hat es gern,
wenn das Volk ihm zujubelt, während er durch London reitet, aber der weise
Fürst ist nicht immer der beliebteste; das weiß er.
Es gibt weitere Thesen, die er
ihm vorlegt. Christus hat seinen Anhängern kein Land gewährt oder Monopole,
Ämter, Beförderungen. All diese Dinge sind Sache der weltlichen Macht. Wie kann
ein Mann, der das Armutsgelübde abgelegt hat, Eigentumsrechte haben? Wie können
Mönche Landbesitzer sein?
Der König sagt: »Cromwell, Sie
mit Ihrer Befähigung für große Zahlen ...« Er starrt in die Ferne. Seine Finger
zerren am Silberbesatz seiner Manschette.
»Die gesetzgebende
Körperschaft«, sagt er, »sollte für den Unterhalt von Priestern und Bischöfen
sorgen. Wenn das geschehen ist, sollte sie in der Lage sein, den Reichtum der
Kirche für das öffentliche Wohl zu nutzen.«
»Aber wie macht man ihn
flüssig?«, sagt Henry. »Ich vermute, Schreine können aufgebrochen werden.« So
wie er selbst mit Edelsteinen geschmückt ist, denkt er an die Art von
Reichtum, den man wiegen kann. »Wenn es Leute gäbe, die das wagten.«
Es ist charakteristisch für
Henry, dass er an einen Punkt vorauseilt, auf den man selbst nicht direkt
hinauswollte. Seine Absicht war es, ihn sachte zu einem verwickelten
rechtlichen Prozess der Enteignung und Wiederinbesitznahme zu führen: zur
Geltendmachung sehr alter souveräner Rechte, zur Einforderung dessen, was dem
Herrscher immer gehört hat. Er wird sich daran erinnern, dass es Henry war, der
als Erster vorgeschlagen hat, einen Meißel zur Hand zu nehmen und Heiligen die
Saphiraugen auszustechen. Aber er ist willens, dem Gedankengang des Königs zu
folgen. »Christus hat uns gelehrt, wie wir ihn erinnern sollen. Er hinterließ
uns Brot und Wein, Leib und Blut. Was brauchen wir mehr? Ich kann nicht
feststellen, wo er das Aufstellen von Schreinen verlangt hat oder die
Einführung eines Handels mit Körperteilen, mit Haaren oder Fingernägeln oder
das Herstellen von Gipsbildern, die wir anbeten sollen.«
»Wären Sie in der Lage zu
schätzen«, sagt Henry, »sogar ... nein, ich vermute, das können Sie nicht.« Er
steht auf. »Nun, die Sonne scheint, also ...«
Nutzen wir die Stunde. Er
schiebt die Papiere dieses Tages zusammen. »Ich kann das alleine fertig
machen.« Henry geht davon, um seinen doppelt wattierten Reitmantel anzuziehen.
Er denkt, wir wollen nicht, dass unser König der arme Mann Europas ist. Nach
Spanien und Portugal fließen jedes Jahr Schätze aus Amerika. Wo sind unsere
Schätze?
Sieh dich um.
Er schätzt, dass die
Geistlichkeit ein Drittel Englands besitzt. Recht bald wird Henry ihn fragen,
wie die Krone an diesen Besitz kommen kann. Es ist wie der Umgang mit einem
Kind; eines Tages bringst du eine Schachtel mit, und das Kind fragt: Was ist da
drin? Dann geht es zu Bett und vergisst es, aber am nächsten Tag fragt es
wieder.
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