Mantel, Hilary

Es gibt keine Ruhe, bis die Schachtel geöffnet wird und die Geschenke
verteilt sind.
    Das Parlament tritt in Kürze
wieder zusammen. Er sagt zum König: Kein Parlament in der Geschichte hat je so
hart gearbeitet, wie ich dieses zum Arbeiten bringen will.
    Henry sagt: »Tun Sie, was Sie
tun müssen. Ich stehe hinter Ihnen.«
    Es ist, als hörte man Worte,
auf die man sein ganzes Leben lang gewartet hat. Es ist, als hörte man eine
vollkommene Zeile Poesie in einer Sprache, die man vor seiner Geburt kannte.
    Er geht glücklich nach Hause,
aber dort wartet in einer Ecke der Kardinal auf ihn. In seinen scharlachroten
Gewändern ist er so rund wie ein Kissen, und sein Gesicht trägt einen
kampflustigen und aufrührerischen Ausdruck. Wolsey sagt: Sie wissen doch, dass
er das Verdienst für Ihre guten Ideen in Anspruch nehmen wird und dass Sie die
Schuld für seine schlechten bekommen? Wenn sich Fortuna gegen Sie wendet,
werden Sie ihre Peitsche zu spüren bekommen: auf jeden Fall Sie, auf keinen
Fall er.
    Er sagt: Mein lieber Wolsey.
(Weil Kardinäle in diesem Königreich jetzt ausgespielt haben, spricht er ihn
als Kollegen, nicht als Herrn an.) Mein lieber Wolsey, das ist nicht ganz
richtig - er hat Charles Brandon nicht die Schuld dafür gegeben, dass eine
Lanze in seinem Helm zersplittert ist, er hat sich selbst die Schuld gegeben,
weil er sein Visier nicht geschlossen hatte.
    Der Kardinal sagt: Glauben Sie
etwa, das hier ist ein Turnierplatz? Glauben Sie, es gibt Regeln, ein
Protokoll, Richter, die auf einen fairen Kampf achten? Eines Tages, wenn Sie
noch dabei sind, Ihren Harnisch in Ordnung zu bringen, werden Sie aufblicken und
sehen, wie er den Berg hinunter auf Sie zudonnert.
    Der Kardinal verschwindet
glucksend.
    Noch bevor das Unterhaus
zusammenkommt, treffen sich seine Gegner, um ihre Taktik zu entwerfen. Ihre
Treffen sind nicht geheim. Ständig kommen und gehen Diener, und seine Methode
bei den Klausurtagungen der Poles ist wiederholbar: Es gibt junge Männer im
Cromwellschen Haushalt, die sich nicht zu fein sind, eine Schürze umzubinden
und eine Platte mit Heilbutt oder Rinderbraten aufzutragen. Die Herren Englands
bewerben sich jetzt für Ihre Söhne und Neffen und Mündel um Plätze in seinem
Haushalt, weil sie glauben, der Nachwuchs würde die Staatskunst bei ihm
lernen: wie man die Handschrift eines Ministers erwirbt, mit Übersetzungen von
Schreiben aus dem Ausland verfährt, welche Bücher man lesen sollte, um Höfling
zu werden. Er nimmt es ernst, das Vertrauen, das man in ihn setzt; er nimmt
diesen lauten jungen Personen behutsam ihre Dolche, ihre Federkiele aus der
Hand und spricht mit ihnen, findet heraus, was sie hinter der Leidenschaft und
dem Stolz junger Männer von fünfzehn Jahren wirklich wert sind, was sie taugen
und was sie unter Zwang taugen würden. Man lernt nichts über die Menschen,
indem man sie brüskiert oder ihren Stolz zerstört. Man muss sie fragen, was sie
in dieser Welt tun können, was nur sie allein tun können.
    Die Jungen sind erstaunt über
die Frage und öffnen ihre Seele. Vielleicht hat noch nie jemand mit ihnen
gesprochen. Sicher nicht ihre Väter.
    Man macht diese Jungen, wild
oder ungebildet, wie sie sind, mit einfachen Tätigkeiten vertraut. Sie lernen
die Psalmen. Sie lernen den Gebrauch eines Filetiermessers und eines
Schälmessers; erst dann lernen sie zur Selbstverteidigung und völlig informell
den estoc, den
tödlichen Stoß unter die Rippen, die einfache Drehung des Handgelenks, die dich
sichergehen lässt. Christophe bietet sich als Lehrmeister an. Diese messieurs, sagt er, das sind feine
Jüngelchen. Sie schneiden den Kopf vom Hirsch oder den Schwanz von der Ratte
ab, ich weiß nicht was, und schicken ihn nach Hause zu ihrem lieben Papa. Nur
Sie und ich, Master, und Richard Cremuel, wir wissen, wie man einen kleinen
Scheißeur auf der Stelle erledigt und zum Schweigen bringt, und er quiekt nicht
mal.
    Bevor der Frühling kommt,
finden einige der armen Männer, die an seinem Tor stehen, den Weg ins Innere.
Die Augen und Ohren von Analphabeten sind genauso scharf wie die anderer Leute,
und man braucht kein Gelehrter zu sein, um einen schlauen Kopf zu haben.
Pferdeknechte und Hundepfleger hören die Vertraulichkeiten von Earls zufällig
mit. Ein Junge mit Anmachholz und Blasebalg hört die schläfrigen Geheimnisse
des frühen Morgens, wenn er kommt, um Feuer zu machen.
    Eines Tages, als die Sonne
hell strahlt, als es plötzlich und trügerisch warm geworden