Mantel, Hilary
nicht
mehr die Absicht, in Frankreich einzumarschieren.«
»Gott verfluche Sie! Welcher
Engländer will das nicht! Frankreich gehört uns. Wir müssen uns unser Eigentum
zurückholen.« Ein Muskel in seiner Wange zuckt; er läuft aufgeregt hin und
her; er dreht sich um, er reibt seine Wange: Das Zucken hört auf, und er sagt
in vollkommen sachlichem Tonfall: »Wohlgemerkt, Sie haben recht.«
Er wartet. »Wir können nicht
gewinnen«, sagt der Herzog, »aber wir müssen so kämpfen, als ob wir es könnten.
Ungeachtet der Kosten. Ungeachtet der Verluste - an Geld, Männern, Pferden,
Schiffen. Das ist es, was mit Wolsey nicht stimmt, wissen Sie. Immer am
Verhandlungstisch, immer die Verträge. Wie kann der Sohn eines Metzgers
verstehen, worauf es ankommt...«
»La
gloire?«
»Sind Sie der Sohn eines
Metzgers?«
»Eines Hufschmieds.«
»Ach, wirklich? Können Sie ein
Pferd beschlagen?«
Er zuckt die Achseln. »Wenn es
sein müsste, Mylord. Aber ich kann mir nicht vorstellen ...«
»Nein? Was können Sie sich
denn vorstellen? Ein Schlachtfeld, ein Lager, die Nacht vor einer Schlacht -
können Sie sich das vorstellen?«
»Ich war selbst einmal Soldat.«
»Waren Sie das? In keiner
englischen Armee, möchte ich wetten. Da sehen Sie's.« Der Herzog grinst,
durchaus ohne Feindseligkeit. »Ich wusste doch, dass Sie etwas an sich haben.
Ich wusste, dass ich Sie nicht mag, konnte aber den Finger nicht drauflegen. Wo
waren Sie?«
»Am Garigliano.«
»Mit wem?«
»Den Franzosen.«
Der Herzog stößt einen Pfiff
aus. »Falsche Seite, mein Junge.«
»Ist mir aufgefallen.«
»Mit den Franzosen«, kichert
er. »Mit den Franzosen. Und wie sind Sie aus dem Schlamassel rausgekommen?«
»Ich bin in den Norden
gegangen. In den ...« Er will Geldhandel sagen, aber der Herzog würde es nicht
verstehen. »Tuchhandel«, sagt er. »Hauptsächlich Seide. Sie wissen, wie der
Markt dort ist, mit all den Soldaten.«
»Bei allen Heiligen, ja!
Johnny Söldner, der schnallt sich sein Geld auf den Rücken. Diese Schweizer!
Wie eine Truppe von Schauspielern. Spitzen, Streifen, ausgefallene Mützen.
Geben ein gutes Ziel ab, das ist alles. Langbogenschütze?«
»Hin und wieder.« Er lächelt.
»Eigentlich ein bisschen zu klein dafür.«
»Ich auch. Aber Henry, wie der
den Bogen spannt! Sehr schön. Er hat die Größe dafür. Hat den Arm. Trotzdem.
Auf diese Weise werden wir nicht mehr viele Schlachten gewinnen.«
»Wie wäre es dann, keine mehr
zu schlagen? Verhandeln Sie, Mylord. Das ist billiger.«
»Ich sag Ihnen was, Cromwell,
ganz schön dreist von Ihnen, hier zu erscheinen.«
»Mylord — Sie haben nach mir
geschickt.«
»Wirklich?« Norfolk sieht
erschrocken aus. »So weit ist es schon gekommen?«
Die Berater des Königs
bereiten nicht weniger als vierundvierzig Anklagepunkte gegen den Kardinal
vor. Sie reichen von der Verletzung der Praemunire-Gesetze - sprich der
Anerkennung einer fremden Jurisdiktion innerhalb des Königreiches - bis zu der
Tatsache, dass er für seinen Haushalt zum selben Preis Rindfleisch gekauft hat
wie der König; von finanziellen Übertretungen bis zu seinem Versagen, die
Verbreitung lutherischer Häresien zu verhindern.
Die Praemunire-Gesetzgebung
reicht in ein anderes Jahrhundert zurück. Kein heutiger Zeitgenosse versteht
genau, was sie bedeutet. Mittlerweile scheint sie die Bedeutung anzunehmen,
die der König festlegt. Die Angelegenheit wird überall in Europa diskutiert. In
der Zwischenzeit sitzt Mylord Kardinal herum, manchmal murmelt er vor sich
hin, manchmal redet er laut und sagt: »Thomas, meine Colleges! Was auch mit mir
geschieht, meine Colleges müssen gerettet werden! Gehen Sie zum König. Welche
Rache auch immer er für mich ersonnen hat wegen welcher eingebildeter Vergehen
auch immer, er kann doch gewiss nicht die Absicht haben, das Licht der
Gelehrsamkeit zu löschen!«
Im Exil in Esher läuft der
Kardinal voller Sorge hin und her. Der große Geist, der einst die Politik
Europas gelenkt hat, denkt jetzt unablässig über die eigenen Verluste nach. Er
verfällt in stumme Untätigkeit und bläst Trübsal, während das Licht schwindet;
um Gottes willen, Thomas, bittet ihn Cavendish, sagen Sie ihm nicht, dass Sie
kommen, wenn Sie es nicht tun.
Mache ich auch nicht, sagt er,
und ich komme auf jeden Fall, aber manchmal werde ich aufgehalten. Das
Parlament tagt spät, und bevor ich Westminster verlasse, muss ich die Briefe
und Petitionen für Mylord Kardinal einsammeln und mit all
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