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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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den Leuten sprechen,
die ihm zwar eine Nachricht zukommen lassen wollen, aber lieber nicht schriftlich.
    Ich verstehe, sagt Cavendish;
aber Thomas, klagt er, Sie können sich nicht vorstellen, wie es hier in Esher
ist. Wie spät ist es?, sagt Mylord Kardinal. Um wie viel Uhr kommt Cromwell?
Und eine Stunde später wieder: Cavendish, wie spät ist es? Er schickt uns mit
Fackeln hinaus, damit wir nach dem Wetter schauen; als ob Sie, Cromwell, jemand
wären, der sich von Hagel oder Eis aufhalten ließe. Als Nächstes fragt er
dann: Was ist, wenn ihm auf dem Weg ein Unglück zugestoßen ist? Auf der Straße
von London tummeln sich Räuber; in der Dämmerung wimmelt es in Feld und Flur
nur so von Übeltätern. Und dann fährt er fort: Diese Welt ist voller Trugbilder
und Fallen, und in viele von ihnen bin ich getappt, unglücklicher Sünder, der
ich bin.
    Wenn er, Cromwell, schließlich
seinen Reitumhang abwirft und sich in einen Sessel am Feuer fallen lässt — beim Kreuze Jesu, dieser rußende Kamin -, fällt
der Kardinal über ihn her, bevor er überhaupt Atem holen kann. Was hat Mylord
von Suffolk gesagt? Wie sah Mylord von Norfolk aus? Der König, haben Sie ihn
getroffen, hat er mit Ihnen gesprochen? Und Lady Anne, ist sie bei guter
Gesundheit, sieht sie gut aus? Haben Sie mittlerweile einen Dreh gefunden, sie
zufriedenzustellen? Wir müssen sie nämlich zufriedenstellen, wissen Sie.
    Er sagt: »Es gibt einen ganz
einfachen Weg, um diese Dame zufriedenzustellen, und der ist, sie zur Königin
zu krönen.« Er verstummt zum Thema Anne und hat nichts weiter zu sagen. Mary
Boleyn hat gesagt, dass ihre Schwester auf ihn aufmerksam geworden sei, aber
erst vor kurzem hat Anne das auch zu erkennen gegeben. Auf dem Weg zu jemandem
von größerem Interesse streiften ihn ihre Augen. Schwarze Augen, ein wenig
hervortretend, glänzend wie die Kugeln eines Abakus; sie funkeln und sind immer
in Bewegung, wenn sie Berechnungen zu ihrem eigenen Vorteil anstellt. Aber
Onkel Norfolk muss zu ihr gesagt haben: »Da geht der Mann, der die Geheimnisse
des Kardinals kennt«, denn wenn er jetzt in ihr Blickfeld gerät, reckt sie
ihren langen Hals; die glänzenden schwarzen Kugeln machen klick-klick, während
sie ihn von oben bis unten mustert und darüber nachdenkt, welchen Nutzen man
aus ihm ziehen kann. Sie scheint bei guter Gesundheit zu sein, als das Jahr dem
Ende entgegengeht, zum Beispiel hustet sie weder wie ein krankes Pferd noch
lahmt sie. Er nimmt an, dass sie gut aussieht, aber das ist Geschmackssache.
    Eines Abends kurz vor
Weihnachten kommt er spät nach Esher, und der Kardinal sitzt ganz allein da und
lauscht einem Jungen, der die Laute spielt. Er sagt: »Mark, vielen Dank, geh
jetzt.« Der Junge verbeugt sich vor dem Kardinal, ihm gewährt er ein knappes
Kopfnicken, gerade noch angemessen für einen Abgeordneten des Parlaments. Als er
den Raum verlässt, sagt der Kardinal: »Mark ist sehr talentiert und ein angenehmer
Junge - in York Place war er einer meiner Chorknaben. Ich glaube, ich sollte
ihn nicht hierbehalten, sondern zum König schicken. Oder vielleicht zu Lady
Anne, denn er ist ein so hübscher Junge. Würde sie ihn mögen?«
    Der Junge hat an der Tür
gelungert und das Lob begierig aufgesogen. Ein strenger Cromwell-Blick - das
Äquivalent eines Fußtritts - schickt ihn hinaus. Er wünschte, die Leute würden
ihn nicht fragen, was Lady Anne mag oder nicht mag.
    Der Kardinal sagt: »Schickt
Lordkanzler More mir eine Botschaft?«
    Er legt ein Bündel Papiere auf
den Tisch. »Sie sehen krank aus, Mylord.«
    »Ja, ich bin krank. Thomas,
was sollen wir machen?«
    »Wir sollten die Leute
bestechen«, sagt er. »Wir sollten großzügig sein, freigebig mit den Gütern
umgehen, die Ihro Gnaden noch haben - denn Sie haben noch Pfründe, die Sie
veräußern können, Sie haben noch Land. Hören Sie, Mylord - selbst wenn der
König Ihnen alles nimmt, was Sie haben, werden die Leute fragen, kann der König
denn wirklich verschenken, was dem Kardinal gehört? Niemand, dem er etwas
übereignet, hat einen sicheren Rechtsanspruch darauf, wenn Sie es nicht
bestätigen. Das heißt, Mylord, Sie haben immer noch Karten in der Hand.«
    »Und schließlich, wenn er mich
wirklich wegen Verrats ...« Seine Stimme stockt. »Wenn ...«
    »Wenn er die Absicht hätte,
Sie wegen Verrats anzuklagen, wären Sie inzwischen im Tower.«
    »Richtig - und was würde ich
ihm nutzen mit dem Kopf am einen Ort und dem Körper an einem anderen? Es ist
nämlich

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