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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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„Liebe“ benutzen, schoss ihm durch den Kopf. Sonst würde sie sich gleich wieder in ihr Schneckenhaus zurückziehen.
    Sie wandte sich zu ihm um. In den Kieseln stand der Schalk. „Das interpretieren Sie jetzt völlig falsch, Doktor Sprenger“, antwortete sie mit einem breiten Lächeln.
    „Oh, schade!“ Chris zog einen Flunsch. „War trotzdem nett zu hören.“
    „Na, dann hab ich mir wenigstens nicht umsonst den Arsch angefroren“, brummelte Karin und zog endlich die Tür auf.
     

Freitag, 30. November
     
    „Und trödel nicht! Gegessen wird ums eins!“ Sabine Böhm stopfte ein Käsebrot in die knallgelbe Schultasche ihrer Tochter.
    Sonja verdrehte die Augen. Wieso die Erwachsenen immer völlig selbstverständliche Dinge tausend Mal wiederholen mussten, als ob sie ein Baby vor sich hätten, war ihr schleierhaft. Schließlich war sie schon acht, und blöd war sie auch nicht.
    „Ja, Mama“, sagte sie jedoch ergeben und pustete sich eine blonde Locke aus der Stirn. „Kommt der Typ heute Abend wieder?“
    Ihre Mutter wurde rot. „Er heißt nicht `Typ´, sondern Armin. Er kommt morgen und wünscht sich, dass du ihm ´ne Chance gibst.“
    „Er riecht komisch.“
    „Na, wenn das alles ist, was du an ihm auszusetzen hast.“ Sabine hob den Ranzen an, damit Sonja in die Schultergurte schlüpfen konnte. Ob es richtig war, dass Drittklässler schon so viel Zeug schleppten? Sie sollte das beim nächsten Elternabend mal zur Diskussion stellen. Sie beugte sich herunter, spitzte die Lippen und empfing einen feuchten Schmatz.
    „Vielleicht gewöhn ich mich ja dran“, sagte Sonja, tätschelte die runde Wange ihrer Mutter, gab ihr noch einen Kuss und flitzte durch den Flur zur Wohnungstür.
    Sabine blieb in der Küche stehen und lauschte auf das Getrampel, mit dem ihre Tochter die Treppen hinunterhüpfte. Erst als zwei Stockwerke tiefer die Haustür zuschlug, setzte sie sich an den kleinen quadratischen Tisch unter dem Küchenfenster und schenkte sich noch einen Kaffee ein.
    Armin! Der erste Mann seit Jahren, der sich wirklich für sie interessierte. Dem es nichts ausmachte, dass sie einen breiten Po und einen mächtigen Busen hatte. Der sie „mein kleines Frauchen“ nannte, ihr jeden Wunsch von den Augen ablas, Kinder mochte und eine verdammt gute Nummer im Bett abzog. Und ausgerechnet ihn konnte Sonja nicht ausstehen. Sie wurde mürrisch und quengelig, wenn Armin da war, redete ihn nie direkt an. Und je mehr sich Armin bemühte, mit ihr ins Gespräch zu kommen, desto einsilbiger wurde sie. Sie schützte Bauchweh vor, wenn Sabine und Armin ins Kino wollten und bestand darauf, die Sommerferien bei Oma und Opa in der Eifel zu verbringen, statt mit nach Spanien zu fahren.
    Sabine seufzte auf und ließ noch zwei Stückchen Zucker in ihren Kaffee fallen. Vielleicht hatte Armin ja Recht und Sonja brauchte nur ein wenig Zeit. Er sah es als völlig selbstverständlich an, dass Sonja nach acht Jahren nicht sofort bereit war, ihre Mama zu teilen.
    Hoffentlich war das wirklich so. Sonst würde Sabine sich irgendwann entscheiden müssen. Und natürlich wurde diese Entscheidung zugunsten ihrer einzigen Tochter ausfallen.
     
    ********
     
    Susanne stand am Fenster ihres kleinen Büros und sah zu, wie der Regen gegen die Scheiben pladderte. Die Temperatur lag knapp über dem Gefrierpunkt. Schutzpolizei und Straßenmeistereien hatten sich schon auf abendliches Glatteis eingestellt, denn die Warnungen des Deutschen Wetterdienstes waren eindeutig.
    Das trübselige Wetter passte zu ihrer Stimmung. Sie konnte sich kaum erinnern, jemals so niedergeschlagen gewesen zu sein. Es war ja nicht der erste Fall, bei dem die Ermittlungen ins Stocken gerieten. Meistens machte sie das wütend und ungeduldig. Jetzt aber war sie bedrückt und mutlos. Annika nagte an ihr, fraß sie innerlich auf wie eine bösartige Geschwulst. Sie schlief schlecht, konnte kaum einen Bissen herunterbringen und brachte nicht einmal mehr die Kraft auf, ihre speckige Jeans gegen eine frisch gewaschene zu tauschen.
    Zwei Kinder! Natürlich: Man konnte ihr keinen Vorwurf machen. Ballmann saß hinter Gittern, und mit Annika hatte niemand rechnen können. Und trotzdem. Beide Fälle standen in Verbindung miteinander. Hatten sie also bei den Ermittlungen zu Claudias Tod etwas übersehen? Hätten sie erkennen müssen, dass es ein zweites Opfer geben würde? Kam heute das Dritte an die Reihe?
    Trotz des dicken Pullis schauderte sie. Freitag. Der zweite seit Annikas

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