Mantelkinder
… Ihr Appartement ist winzig … Sie hat noch eine Menge Sachen hier … Wir versuchen … wir versuchen unsere Trennung so freundschaftlich wie möglich …“
„Was machen Sie beruflich, Herr Schmitz?“
Der abrupte Themenwechsel brachte ihn noch mehr durcheinander, denn er verhaspelte sich mehrfach, während er erklärte: „Ich bin Krankenpfleger. Im Klösterchen. Kinderstation.“
Susanne spürte seine Anspannung beinahe körperlich. Oder war es ihre eigene?
„Haben Sie Kinder?“, schaltete Hellwein sich ein, ohne sich umzuwenden. Der nervöse Unterton in seiner Stimme fiel nur Susanne auf. Er war mindestens so angespannt wie sie selbst.
Schmitz lachte auf. „Oh Gott, nein! Ich versorge vierzig Stunden pro Woche einen Haufen Kinder. Die muss ich nicht auch noch zu Hause haben.“
„Sagt Ihnen der Name Annika Klausen etwas?“, fragte Hellwein weiter. Jetzt erst drehte er sich von dem Bild weg und sah Schmitz an.
Der Hüne überlegte kurz, ehe er den Kopf energisch schüttelte. „Nicht, dass ich wüsste. Wer ist das?“
„Waren Sie auf Claudias Beerdigung, Herr Schmitz?“ Die Stimme des Kommissars wurde eine Spur schärfer.
„Nein. Ich hatte Dienst.“
Die Antwort kam schnell. Viel zu schnell.
Susanne blieb mitten im Regen vor dem Wagen stehen und trommelte mit den Fingern auf das Autodach. Sie sah weder die bunten Blätter auf dem nassen Asphalt, denen die Feuchtigkeit Glanz und leuchtende Farben verlieh, noch spürte sie das Wasser, das in ihre Schuhe drang, weil sie in einer Pfütze stand. Voller Ungeduld wartete sie, bis Hellwein den Wagen aufgeschlossen hatte und versuchte, die aufkommende Euphorie zu unterdrücken.
Aber es gelang ihr nur halbwegs. Ein Kinderkrankenpfleger, der Claudia nahegestanden hatte, aber angeblich im Dienst war, als die Beerdigung stattfand. Dessen Frau Seidentücher malte. Ein totes Kind, das mit einem handgemalten Seidenschal gefesselt gewesen war … Plötzlich hatte sie Mühe, nicht die Faust triumphierend in die Luft zu strecken.
Hellwein sah sie erwartungsvoll über das Autodach hinweg an.
„Ruf die Klausen an“, sagte Susanne entschieden. „Frag, ob sie ihn kennt oder ob Annika mal im Krankenhaus war.“
Hellwein verschwand im Wagen. Auch Susanne merkte endlich, dass sie nass wurde und stieg ebenfalls ein.
Mit zittrigen Fingern zündete sie sich eine Zigarette an, wartete, dass Hellwein sein Gespräch beendete.
Als er das Handy endlich zuklappte, sagte er tonlos: „Annika ist letzten Sommer vor ein Auto gelaufen. Gehirnerschütterung. Sie war drei Tage im Klösterchen.“
Er sah seine Vorgesetzte hoffnungsvoll an. „Sollen wir ihn gleich mitnehmen?“
Aber Susanne schüttelte den Kopf. „Nein. Lass uns erst sehen, ob er wirklich Dienst hatte. Verdammt! Wenn die Tochter meines besten Freundes beerdigt wird, nehm ich mir doch frei, oder?“
In der Eingangshalle des Präsidiums begegnete ihnen Petra Hansen, die sofort losgeschickt wurde, sich die Dienstpläne im Krankenhaus der Augustinerinnen, wie das „Klösterchen“ offiziell hieß, anzusehen.
„Er scheint die Schränke voll zu haben mit Handarbeiten seiner Frau“, klärte Susanne kurze Zeit später Marlene Breitner auf.
Der wacklige Besucherstuhl ächzte unter der Staatsanwältin, als sie sich gespannt vorbeugte. „Und er war hypernervös, sagen Sie?“
„Die meisten Menschen werden nervös, wenn sie eine Polizeimarke sehen. Aber Schmitz hat fast panisch gewirkt.“
Ohne anzuklopfen stürmte Hansen in das kleine Büro. An ihrem Hals zeigten sich hektische rote Flecken.
„Ich konnte das gleich telefonisch klären“, sagte sie etwas atemlos. „Er war definitiv nicht im Dienst, sondern hatte das ganze Wochenende frei.“
„Na, wer sagt´s denn!“ Breitner sprang hastig auf und klatschte in die Hände. „Ich will ihn hier haben, auf für ihn unbekanntem Terrain. Wir drei nehmen den Herrn mal in die Zange. Und Ihnen, Frau Hansen, besorge ich sofort einen Durchsuchungsbeschluss. Schnappen Sie sich ein paar Leute und nehmen Sie seine Wohnung auseinander. Beschlagnahmen Sie alles, was mit Seidenmalerei zu tun hat. Das muss sofort ins Labor. Machen Sie denen Beine. Oberste Priorität! Die sollen die Sachen mit dem Schal von Annika abgleichen. Und ich will alles aus der Wohnung, was uns Hinweise liefern könnte. Tagebücher, Bilddateien auf seinem PC, checken Sie, auf welchen Webseiten er sich herumgetrieben hat, et cetera p p. Greifen Sie alles ab, was sich auch nur
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