Mantelkinder
kümmert sich weiter um die Seibolds. Die anderen zwanzig vergessen Claudia und kümmern sich nur noch um die Böhms und die Klausens. Klar?“
Susanne und Hellwein starrten einen Moment lang gebannt auf die grüne Nasenspitze, ehe sie todernst und gleichzeitig mit „Klar!“ bestätigten.
„Schließen wir auch die Frauen mit ein?“, fragte die Kommissarin hoffnungsvoll.
Aber Breitner sah nur streng über ihre Lesebrille hinweg. „Frau Braun! Die DNA-Analyse war doch eindeutig, oder?“
Hellwein ließ seiner Vorgesetzten an der Tür den Vortritt. Dann drehte er sich nochmal zu der kleinen Staatsanwältin um. „Übrigens“, sagte er und tippte mit dem Zeigefinger an seine Nase. „Sie haben da was.“
„Mann, Heinz! Jetzt hast du den Kollegen den Brüller des Jahres vermasselt!“ Susanne grinste breit, während sie zum Aufzug gingen und knuffte Hellwein in die Rippen.
„Glaub ich kaum. Sie wird noch ´ne Weile damit rumlaufen, fürchte ich.“ Er strahlte Susanne an, ehe er hinzufügte: „Es war Folienschreiber!“
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Chris trabte über das holprige Kopfsteinpflaster des Rudolfplatzes, zwängte sich hinter den Buden eines kleinen Weihnachtsmarkts vorbei, kaufte erst mal Zigaretten und ein Feuerzeug und ließ sich mit dem Menschenstrom auf der Mittelstraße zum Neumarkt treiben. Die edlen Herrenausstatter, Schuhgeschäfte und Juweliere links und rechts nahm er kaum wahr. Für deren Sortiment reichte sein Budget nun wirklich nicht und die meisten der teuren Ausstellungsstücke hätten ihm auch nicht gefallen.
Eine Gruppe Briten kam ihm entgegen. Alle trugen eine rote Nikolausmütze und keiner schien mehr ganz nüchtern zu sein. Chris wechselte die Straßenseite. Es war jedes Jahr das Gleiche. Sobald die Weihnachtsmärkte eröffnet waren, fielen täglich Briten, Holländer und Belgier zu Tausenden in die Stadt ein. Bustouren zum Kölner Weihnachtsmarkt hatten sich in diesen Ländern zu einer Art Volkssport entwickelt. Man kaufte ein, trank Glühwein bis zum Abwinken und schlief auf der Heimfahrt seinen Rausch aus.
Er bog hinter dem Neumarkt links ab und ließ die Hektik der Fußgängerzone hinter sich. Dafür musste er sich zwischen einigen Autos durchquetschen, die vor einem besetzten Parkhaus warteten. Wie Nebel waberten die Abgase durch die Luft und kitzelten ihn in der Nase.
Bevor Chris das „Haus Kunzeler“ betrat, sah er sich kurz die Auslage an. Loden, Trachten, Knickerbocker, Herrenanzüge mit Hirschhornknöpfen. Haferlschuhe und Stiefel, deren billigstes Paar mit „€ 399“ ausgezeichnet war. Die Markennamen klangen fremd und teuer: Giesswein, Schneider´s, Gardeur, Linzner, Geiger. In einem der Fenster waren Waffen und Hundezubehör ausgestellt. Ein Edelstahlnapf, aus dem der Hund sein Wasser saufen konnte, sollte „€ 39“ kosten. Susanne hatte völlig Recht: Ein Normalverdiener würde wahrscheinlich keinen Fuß in den Laden setzen.
Chris betrat das Geschäft durch einen Nebeneingang und ging auf flauschigen Teppichen an einem ausgestopften Löwen vorbei. Trockene, warme Luft schlug ihm entgegen. Es herrschte eine nahezu unglaubliche Stille, denn die wenigen Kunden wurden allesamt mit gedämpften Stimmen beraten.
Die perfide Höflichkeit, mit der Chris empfangen wurde, drehte ihm fast den Magen rum. In den maskenhaften Gesichtern der Verkäufer war nicht die Spur natürlicher Freundlichkeit, sondern nur blasierte, mühsam antrainierte Verbindlichkeit. Mit einem einzigen Blick schienen sie erkannt zu haben, dass er nicht zur üblichen Kundschaft gehörte.
Er fragte eine aufgedonnerte Mittvierzigerin nach dem Geschäftsführer und wurde herablassend aufgefordert, sich zu gedulden.
Als er endlich erschien, hatte Chris sich durch alle Ständer mit Herrenpullovern gearbeitet und dabei tatsächlich zwei, drei Stücke gefunden, die ihm in ihrer Schlichtheit gefallen hätten. Als er jedoch die Preisschildchen herumdrehte, die dezent an der Innenseite angebracht waren, zuckten seine Hände automatisch zurück.
Auch dem Geschäftsführer stand die Arroganz in sein hakennasiges Gesicht geschrieben. Er hatte kleine, kalte Augen und seine Mundwinkel fielen steil nach unten. Sein taubenblauer Zweireiher saß tadellos. Aber das machte ihn auch nicht sympathischer.
Chris hielt ihm seine Legitimation der Anwaltskammer unter die Nase und fragte direkt nach dem Umhang und dem Mantel, mit dem die Kinder zugedeckt gewesen waren.
„Was wollen Sie? Wir hatten schon die Polizei im
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