Mantelkinder
hat?“
Die Tante zuckte die Achseln. „Tut mir Leid. Sie redet schon mal von Gregor und Lucia. Die beiden waren noch nie hier, aber ich nehme an, es sind Freunde von ihr.“
Es war 18 Uhr 30 als sie ziemlich ratlos wieder draußen standen. Der Regen peitschte fast waagerecht durch die Straße, aber alle vier ignorierten ihn. Nur Chris dachte kurz an die Wetterstatistik, die er aus der Zeitung kannte. In den letzten vier Wochen hatte es so viel geregnet wie sonst in drei Monaten und das nächste Hochwasser wurde befürchtet. Bald würde die schlammige braune Brühe, die der Rhein führte, wieder einmal über die Ufer treten. Er rief sich zur Ordnung. Was ging ihn jetzt dieser verdammte Fluss an? Der verschwundene Dennis ging ihn was an, Hildegard Albertini.
„Sie muss eine Zuflucht haben. Irgendwas, wo sie den ganzen Tag mit dem Kind verbringen kann“, überlegte Susanne laut und sah auf die Uhr. Es blieben ihnen eine, höchstens zwei Stunden, ehe es auch für Dennis zu spät war.
„Vielleicht sind Gregor und Lucia Kollegen von ihr. Vielleicht wissen die was“, warf Chris ein, als sich Hellwein auf die Stirn schlug.
„Die ´Schneekönigin`!“, rief er und rannte zur Haustür zurück.
„Was?“
Im Laufen drehte er sich um. „Die ´Schneekönigin`, Susanne! Das Schiff!“ Er drückte seinen Daumen aufs Klingelbrett und verschwand Sekunden später im Hausflur.
Susanne starrte ihm mit gerunzelter Stirn hinterher. Dann erinnerte sie sich. Die Fotowand, die immer wiederkehrenden Aufnahmen der Segelyacht.
Susanne hatte ihren Freunden kaum erklärt, was Hellwein meinte, als er schwer atmend wieder zu ihnen stieß. „Es gehört ihrem Cousin, Guido Anders!“
„Hat sie einen Schlüssel?“
„Das weiß die Alte nicht. Angeblich hatten die beiden mal was miteinander, aber sicher ist sie nicht. Sie meint, früher hätte der Kahn im Porzer Yachthafen gelegen.“
Susanne griff ins Wageninnere zum Funkgerät. Sie mussten Gewissheit haben, dass die „Schneekönigin“ dort immer noch ihren Liegeplatz hatte.
Aber Karin fasste Susannes Arm und hielt sie zurück. „Warte! Der Porzer Yachthafen liegt genau gegenüber dem Weisser Bogen.“
„Du meinst …“
„Ich meine, sie ist quer rübergeschippert, hat an einer Kribbe festgemacht und Annika in die Aue getragen.“
„Also los! Ihr beiden steigt hinten ein. Mit Blaulicht sind wir schneller!“
Während Hellwein durch die Stadt jagte, verständigte sich Susanne mit Maurer über die weitere Vorgehensweise. Polizeieinheiten ja, aber zunächst in sicherer Entfernung zum Hafen. Sonst brachte es Albertini in ihrem Wahn womöglich fertig, Dennis gleich an Bord der „Schneekönigin“ zu erdrosseln, wenn sie merkte, dass man ihr auf den Fersen war. Wenn sie auf dem Schiff war. Wenn es in Porz lag …
Hellwein raste über die Rodenkirchener Brücke auf die andere Rheinseite, als Maurer bestätigte, dass der Eigner Guido Anders einen Winterliegeplatz in Porz gemietet hatte.
Trotz der Jahreszeit waren an den vier Landungsstegen Dutzende Boote vertäut. Motoryachten, Segelboote, verrottet aussehende Kähne und winzige Jollen, die mit Kunststoffplanen abgedeckt waren, lagen dicht nebeneinander, sodass viele der äußeren Boote nur über die innen liegenden zu erreichen waren. Wahrscheinlich hofften die Besitzer auf einen milden Winter und wenig Hochwasser, um sich die teuren Liegeplätze an Land oder in den Bootshäusern zu sparen. Wann waren auch das letzte Mal Eisschollen auf dem Rhein getrieben und hatten Schaden angerichtet?
Hellwein rollte langsam und mit ausgeschalteten Scheinwerfern bis kurz vor den ersten Landungssteg. Als sie ausstiegen, peitschte der Regen von vorn und nahm ihnen jede Sicht. Das fahle Licht der Straßenlaternen, das von der Uferstraße schien, reichte kaum, um die Hand vor Augen zu sehen. Sie hörten das Gurgeln des Wassers, die Wellen, die ans Ufer klatschten, wenn in der Strommitte ein Schlepper vorbeituckerte. Die Schiffsrümpfe im Yachthafen rieben aneinander, Holz knarrte.
Chris hätte viel um ein paar Taschenlampen gegeben. Aber wenn sie die einschalteten, hätten sie ebenso gut mit Blaulicht und Sirene vorfahren können. Er sah über das schemenhaft erkennbare Durcheinander der Masten, Aufbauten und Kajüten und versuchte, den schneidenden Wind zu ignorieren. Wo in diesem Gewirr mochte die „Schneekönigin“ sein?
Leise fluchend steckte Hellwein sein Funkgerät weg. „Verdammt! Die Kollegen vom Wasser haben ´ne Havarie
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