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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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den roten Knopf.
    „Was ist?“, fragte Karin, die immer noch mit Markus auf der Couch saß.
    „`Der gewünschte Teilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar´. — Wieso soll ich mein Handy einschalten, wenn sie ihres abstellt?“
    „Störung im Netz?“
    „Was weiß ich?“
    „Probier´s über Hellwein“, schlug Karin vor.
    „Wenn du seine Nummer hast, gern“, knurrte Chris. Er wusste, dass weder Susannes noch Hellweins Rufnummern bei der Auskunft registriert waren, damit wenigstens ein bisschen Privatsphäre erhalten blieb. Und er selbst hatte noch nie die Veranlassung gehabt, Hellwein nach dessen Anschluss zu fragen.
    Er wählte kurzerhand die 110. Natürlich hütete sich der Beamte in der Leitstelle, ihm Hellweins Nummer zu geben. Da konnte ja jeder kommen. Aber er versprach, sich darum zu kümmern, dass er zurückrief.
    Chris überlegte fieberhaft. Was jetzt? Breitner auftreiben? — Wo? Warten, bis Hellwein anrief? — Wie lange? Zu Klausen fahren und Susanne dort abpassen? — Oder waren sie schon bei der Böhm? Im Schulsekretariat Albertinis Adresse erfragen? — War da freitagsnachmittags überhaupt noch jemand?
    Er wühlte wieder im Telefonbuch. Aber weder im „Goldschmiede-Atelier Klausen“ noch unter der Privatnummer nahm jemand den Hörer ab. Und der Anschluss von Sabine Böhm war besetzt.
    Er sah Karin auffordernd an. „Wir fahren zur Klausen! Vielleicht erwischen wir Susanne da.“
    Als Karin sich mühsam an ihren Krücken hochziehen wollte, legte Markus seine Hand auf ihren Arm. „Sind jetzt zwei Kinder tot, weil ich was von der Kerze gesagt habe, Karin?“
    Sie legte die Krücken zur Seite und fuhr dem Jungen durchs Haar. „Nein, Markus“, antwortete sie ernst. „Sie hat sie nicht wegen der Kerze umgebracht. Mach dir keine Sorgen. Außerdem hast du jetzt geholfen, sie zu überführen.“
    Bevor sie die Wohnung in der Stauderstraße verließen, trat Chris zu Wolfgang, der mit unbewegtem Gesicht am Fenster stand und in den Regen stierte.
    „Claudia kann Ihnen niemand zurückbringen“, sagte er leise, „aber die Zwillinge brauchen ihren Papa.“
    Wolfgang Seibold gab keine Antwort.
     
    ********
     
    Fluchend ließ Susanne ihr Handy sinken. „Verdammter Akku!“
    Sie trommelte ungeduldig auf das Autodach, während Hellwein mit Sonjas Mutter telefonierte. Susanne wollte Gewissheit haben. Hildegard Albertini war eine Kundin von Martina Klausen und hatte sich vor Jahren einige Ketten, Ringe und Armbänder anfertigen lassen. Jetzt kam sie nur noch für Umarbeitungen oder Reparaturen. Aber man traf sich regelmäßig beim Einkauf, weil Albertini ihre Besorgungen fast nur auf der Dürener Straße erledigte. Die Geschäfte in ihrem Stadtviertel seien ihr zu gewöhnlich, hatte sie mal gesagt. Und natürlich kannte sie Annika, sah sie praktisch aufwachsen. Von dem schreienden Bündel in der Wiege, die in der Werkstatt stand, bis zu dem „entzückenden Ding“, wie sie Annika noch kurz vor ihrem Tod genannt hatte. Da waren sie sich im Supermarkt begegnet.
    Susanne stierte auf Hellweins Rücken und dachte an ihr erstes und einziges Gespräch mit Albertini zurück. Wie beeindruckt sie von der vornehmen älteren Dame gewesen war, wie viel Güte und Warmherzigkeit sie ausgestrahlt hatte. Die Frau, die Claudia als „Inkarnation“ bezeichnete. Ihre Liebe zu den Kindern schien so echt zu sein. Hätte sie damals erkennen müssen, dass es eine krankhafte Liebe ohne Realitätsbezug war, dass Albertini sich in einer seelischen Verfassung befand, die sie zur Mörderin werden ließ? Hatte sie von Anfang an einen Fehler gemacht?
    Hör auf damit, ermahnte sie sich im Stillen, als Hellwein sagte: „Vielen Dank, Sie haben uns sehr geholfen.“
    Er steckte das Handy weg und nickte ihr zu. „Sie hat den Kinderchor geleitet, in dem Sonja war. Bis vor einem Jahr, da hat Albertini aus Altersgründen aufgehört.“
    „Ruf die Seibolds an!“, verlangte Susanne.
    „Was willst du noch? In welcher Beziehung sie zu Claudia stand …“
    „Ruf sie an!“, wurde er harsch unterbrochen. „Das mit der Kerze kann nur von denen gekommen sein. Wir müssen das hieb-und stichfest haben, Heinz. Noch einen Fehler können wir uns nicht erlauben!“
    Mit einem kurzen Augenrollen gab er seiner Vorgesetzten zu verstehen, was er davon hielt, tippte aber doch auf seinem Handy herum. In den letzten Wochen hatte er die Ziffernfolge so oft gewählt, dass er sie auswendig konnte.
    Er hob den Apparat ans Ohr und ließ ihn gleich wieder

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