Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
Vom Netzwerk:
hatte.
    „Nee!“, gab sie entnervt zurück.
    „Dann eben nich´! — Die Bullen suchen ´nen komischen Fiesta, hab ich gehört.“
    „Und wir haben gehört, dass du so einen schon mal gesehen hast“, sagte Chris. „Was ist denn so auffallend an dem Wagen?“
    „Der fährt seit Wochen mit ´ner Riesendelle rum. Dat rostet schon. Und da frach ich mich, warum der dat nich´ reparieren lässt. Is ja sonst so´n Geschniegelter.“
    „Erzähl von dem Typ.“ Chris drehte sich nach hinten und sah Nadine auffordernd an.
    „Der hat ´n Rad ab!“ Sie ließ ihren Zeigefinger an der Stirn kreisen, fläzte sich auf den Rücksitz und zündete sich eine Zigarette an. Die Jacke rutschte höher und er sah, dass sie außer den Netzstrümpfen tatsächlich nichts trug.
    „Erst mal will er es nie hier in den Boxen machen, weil er Platzangst hat, oder wie das heißt. Wir müssen immer mit ihm wegfahren. Un dat ist so´n richtiger Bubi, weißte. Der sieht aus wie ´ne abjeleckte Butterschüssel. Hat ´n Gesicht wie´n Kinderarsch. Ganz rosig und total glatt. Hab noch nie ´ne Bartstoppel oder sowat jesehen. Dabei ist der mindestens fuffzich.“
    Sie zog hektisch an ihrer Zigarette. Ihre Bewegungen waren fahrig, beinahe unkontrolliert. In Sekundenabständen zog sie die Nase hoch. Sie würde in den nächsten Stunden einen Schuss brauchen, ganz sicher.
    „Der tut immer ganz kusch, verstehste?“, sprach sie weiter. „So geduckt, aber wenn de ihm erzählst, was für´n mieses Schwein er is´ und ´n bisschen so tust, als würdest du dich wehren, wird der echt brutal. Der haut dir dat Ding rein, dat du meinst, et kommt dir oben wieder raus!“
    Chris merkte, dass sein Magen anfing zu rebellieren. Die Rotbarben schienen mit einem Mal quicklebendig. Trotzdem fragte er weiter: „Wie ist das denn, wenn du dich wehrst? Was sollst du dabei tun?“
    „Na, ich muss die Beine zusammenkneifen und wimmern, wie´n kleines Kind. Und am besten kommt der, wenn ich mich zum Schluss noch ganz eng mach, so, dat er fast nich´ reinkommt.“
    Chris sah Claudia vor sich, auf dem nassen Waldboden, wimmernd … eng … Am liebsten hätte er aus dem Seitenfenster gekotzt. Karin hatte das Lenkrad fest umklammert und hielt den Kopf gesenkt. Verstohlen legte er ihr eine Hand auf den Oberschenkel, ehe er sich wieder Nadine zuwandte.
    „Wie redest du ihn eigentlich an?“
    „Rudolf. Er sagt, er heißt Rudolf. Ich glaub ihm dat auch. Ich hab mal Rudi zu dem gesagt, da is der so wat von ausgeflippt! Ich dachte, der murkst mich ab oder so.“
    „Er hat nicht zufällig auch einen Nachnamen?“
    Nadine zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Ich kann mich ja mal umhören.“
    „Aber diskret, ja?“, mahnte Chris. Er zupfte den Fünfziger aus der Jackentasche und reichte ihn nach hinten. Gleichzeitig stellte er seine abschließende Frage. „Wann war er denn das letzte Mal hier?“
    „Kann ich dir sagen. Der kommt nämlich immer ein Mal die Woche. Aber jetzt war er schon drei, vier Wochen nich´ mehr da.“
    „Sag mal“, schaltete sich Karin plötzlich ein. „Du hast eben erzählt, dass er nicht hier in die Boxen will. Wo fährt er denn mit euch hin?“
    „Ja, hätt ich fast vergessen. Dat war auch so ´ne Macke von dem. Die Freier, die nich´ hierbleiben wollen, fahren alle auf den Mohlenkopf oder zu Ford. — Wo fährt der hin? Aufe andere Seite.“
    Schmerzhaft krampfte sich der Magen von Chris zusammen.
    Karins Stimme klang gepresst, als sie die letzte Frage stellte. Die eigentlich überflüssig war. Weil sie die Antwort kannten. „Wo genau ist er mit dir hingefahren?“
     
    Karin schwieg auf dem Heimweg beharrlich. Chris dachte, es läge an „wimmern“, an „eng machen“, an „Gremberger Wäldchen“. Natürlich hatte Nadine bestätigt, dass „Rudolf“ mit ihr dorthin gefahren war. Entweder sie trieben es im Auto, oder, bei schönem Wetter, „in so einem Loch direkt am Bahndamm“. Noch genauer musste sie den Ort nicht mehr beschreiben.
    Dass Chris sich wieder einmal in seiner Freundin getäuscht hatte, zeigte sich erst, als Karin den Wagen vor dem alten Haus am Klettenbergpark in die einzige noch freie Parklücke bugsierte.
    „Verdammt noch mal, Chris! Du gibst ihr auch noch Geld!“, platzte sie heraus.
    „Ja, und?“, fragte Chris irritiert.
    „Du unterstützt ihre Sucht! Sie läuft jetzt zum nächstbesten Dealer und zieht sich was rein!“
    „Das tut sie, ja“, antwortete er hart. „Aber das würde sie sowieso tun. Nur muss sie heute

Weitere Kostenlose Bücher