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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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Abbruch — im Gegenteil.
    Susanne nickte und Breitner fuhr fort: „Gut. Da können wir sicher sein, dass die Quelle zuverlässig ist. Die Indizien dürften ausreichen, um beim Richter eine Speichelprobe durchzukriegen. Aber dafür müssen wir diesen Rudolf erst mal haben.“
    „Wieso lassen wir nicht schon längst die Medien wissen, dass wir einen blauen Fiesta mit ´ner Delle suchen?“, blaffte Schneider dazwischen. Dass er hektisch und knatschend einen Kaugummi im Mund herumwälzte, machte ihn keineswegs sympathischer.
    „Weil unser Mann womöglich zur nächsten Schrottpresse fährt“, kam Susanne der Staatsanwältin zu Hilfe. „Ich würde vorschlagen, wir picken uns erst mal aus den Fahrzeughaltern, die in Gremberg, Sülz oder der Neustadt-Süd wohnen, alle heraus, die Rudolf heißen. Dann sehen wir weiter.“
    Am späten Montagabend machte sich im Team Enttäuschung breit. Nach der Datenfilterung waren nur wenige in Frage kommende Personen übriggeblieben, die sie im Laufe des Tages auch überprüften. Aber alle hatten ein Alibi und keiner der Wagen hatte einen Unfallschaden.
    Natürlich bestand die Möglichkeit, dass inzwischen eine Reparatur durchgeführt worden war. Dass Rudolf gar nicht im Kreis Köln wohnte. Dass Sebastian sich doch in der Baureihe geirrt hatte. Dass Rudolf der Fahrer, aber nicht der Halter des blauen Fiestas war.
    Susanne saß noch lange auf ihrer Couch und dachte nach. Rudolf war die einzige Spur, die sie hatten. Aber war es sinnvoll, alle Fahrzeughalter mit diesem Vornamen zu überprüfen? Oder gar alle Führerscheinbesitzer? Und wenn der Name falsch war? Wenn sie unendlich viel Zeit für eine Seifenblase vergeudeten? Zeit, die sie vielleicht nicht hatten, weil er es wieder tun würde?
    Vor Angst und Unsicherheit wurde ihr speiübel. Sie war die Ermittlungsleiterin. Sie musste das weitere Vorgehen festlegen. Eine Entscheidung treffen, die in die völlig falsche Richtung gehen könnte und damit ein weiteres Kind in Gefahr brachte.
    Zum ersten Mal seit Jahren trank sie mehr Alkohol, als gut für sie war.
     
    ********
     
    Chris trommelte nervös mit den Fingern seiner rechten Hand auf der grünen Schreibtischunterlange herum. Er war tief in den Sessel gerutscht, die Beine lagen auf der gläsernen Tischplatte. Montagmorgen im Büro. Da gab es zwei Möglichkeiten: Entweder waren übers Wochenende ein halbes Dutzend Katastrophenmeldungen aufgelaufen oder aber es war überhaupt nichts passiert. Dies war einer jener Montage, an denen ihm noch nicht einmal der Anrufbeantworter entgegenblinkte.
    Sicher, er hätte jede Menge zu tun gehabt, denn im Laufe der letzten Woche waren tausend Kleinigkeiten liegengeblieben, die er aufarbeiten müsste. Stattdessen schob er nur seinen Kaffeebecher mit dem roten „I ♥ Köln“-Aufdruck hin und her und starrte auf die beiden Hundertwasserdrucke an der gegenüberliegenden Wand. Er konnte sich zu nichts entschließen. Nicht einmal zur Lektüre der Tageszeitung. Außer vielleicht …
    Seine rechte Gehirnhälfte sagte ihm, dass er danach ein Nervenbündel sein würde. Die linke dagegen meinte mit Nachdruck, dass es ungeheuer wichtig war. Schließlich gewann die linke Seite Überhand. Er schwang die Beine vom Tisch und begann, in seinem privaten Telefonregister zu wühlen. Es war nach allen möglichen Kriterien geordnet — nur nicht alphabetisch. So penibel er auch bei seinen Akten im Büro war, Privates befand sich meist in chaotischem Zustand. Durch Karins Behinderung zeigte er inzwischen zumindest in seiner Wohnung Disziplin, damit sie nicht erst durch alle Räume humpeln musste, um etwas zu finden, was er gerade da, wo es ihm passte, abgelegt hatte. Aber andere Dinge entglitten ihm immer noch. Er schloss das Auto nicht ab, stand im Supermarkt und musste Karin anrufen, weil er den Einkaufszettel vergessen hatte oder schrieb neue Kontakte da in sein Adressbuch, wo er es gerade aufschlug.
    Er fand die gesuchte Nummer schließlich unter „P“, was ihm völlig unverständlich war. Nach einem kurzen Telefonat machte er sich auf den Weg. Vorab schon genervt und gleichzeitig mit schlechtem Gewissen. Der Mann konnte schließlich nichts dafür.
    Raderberg war ein beschauliches Stadtviertel. In einer ebenso beschaulichen Nebenstraße lag das kleine Reihenhäuschen des pensionierten Amtsrichters Walter Horn, das er gemeinsam mit seiner weit über achtzigjährigen Mutter bewohnte. Chris kannte die Horns seit langem und schätzte vor allem die Mutter sehr, deren

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