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Mantelkinder

Mantelkinder

Titel: Mantelkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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Abend dafür zwei oder drei Mal weniger die Beine breit machen.“
    Karin schluckte. Ihre Hand lag schwer auf dem Zündschlüssel. „Das heißt, du hast jetzt auch noch ein gutes Werk getan!? Herrgott! Wie kannst du damit umgehen?“
    Chris löste den Sicherheitsgurt und sagte leise: „Immer schlechter, Liebes. Von Mal zu Mal schlechter.“
     

Montag, 12. November
     
    Susanne hatte ihre hoffnungslos verkalkte Kaffeemaschine gerade überredet, wenigstens einen Becher voll schwarzem Gebräu auszuspucken, als das Telefon schellte. Automatisch sah sie auf die Uhr. Halb sieben in der Früh. Das konnte nur jemand aus dem Präsidium sein, und Susanne fragte sich unwillkürlich, welche Katastrophe jetzt noch über sie hereinbrechen würde. Claudia reichte ihr voll und ganz.
    Beinahe erleichtert vernahm sie Sekunden später die Stimme von Chris. Sein Bericht machte sie schlagartig wacher, als sie normalerweise um diese Uhrzeit war. Und wütender, denn Chris weigerte sich strikt, seine Informationsquelle zu nennen. Er sagte nur vage: „Eins von den Mädchen in der Geestemünder Straße.“
    Sie versuchte es zunächst mit Geduld. „Chris! Sie könnte sich die Portraits der einschlägig Vorbestraften ansehen. Wir könnten ein Phantombild versuchen.“
    „Nein!“
    „Wir haben mit Phantombildern eine Trefferquote von fast fünfundzwanzig Prozent. Willst du, dass uns die Gelegenheit durch die Lappen geht?“
    „Ihr Loddel schlägt sie tot, wenn sie bei euch auftaucht. Keine Chance!“
    „Verdammt und zugenäht!“, brüllte sie. „Ich lasse jede einzelne Nutte aus der Geestemünder Straße vorführen! Dann werden wir ja sehen!“
    Fluchend drückte sie das rote Symbol an ihrem Telefon. Natürlich würde sie das nicht tun. Das wusste der Mistkerl ganz genau. Sie warf den Apparat auf die Kommode im Flur und trauerte plötzlich den Zeiten nach, wo man noch wutschnaubend einen Hörer auf die Gabel knallen konnte. Aber nach ein paar Schlucken Kaffee beruhigte sie sich wieder. Chris befolgte nur das Gesetz der Straße: Verpfeife einen Informanten an die Bullen und du erfährst nie wieder auch nur die Uhrzeit. Vielleicht das einzige Gesetz, das er überhaupt befolgt, dachte sie bitter. Gleichzeitig packte sie mal wieder der Neid, weil er — wie so häufig — eine entscheidende Information bekommen hatte.
    Eine Stunde später war die ganze SOKO im Besprechungsraum versammelt. Alle hatten müde Gesichter, denen man die Anspannung der letzten Tage ansah. Nur Marlene Breitner wirkte frisch wie eh und je. Das kupferrote Haar war mit einer kecken Schleife nach hinten gebunden, die farblich perfekt zu dem eng anliegenden Kaschmir-Kostüm passte. Sie duftete nach einem teuren Duschgel und ihre Augen blitzten mit den goldenen Ohrsteckern um die Wette.
    „Es wäre also möglich, dass unser Mann mit Vornamen Rudolf heißt“, fasste Susanne jetzt zusammen, „und eine ganz offensichtliche Vorliebe für Gremberg hat.“
    „Du wird ein Schuh draus“, sagte Klippstein und tupfte sich mit einem Kleenex die Stirn. „Er hat jahrelang mit den Nutten geprobt und mit Claudia seine finale Phantasie ausgelebt.“
    In der hinteren Sitzreihe nieste jemand derart heftig, dass alle anderen vor Schreck zusammenzuckten. Breitner fasste sich als erste wieder, sah in die Runde und fragte todernst: „Ist jemand verletzt?“
    Die Beamten brachen in schallendes Gelächter aus. Nur Müller grinste etwas verkniffen und bekam ein rosiges Gesicht.
    „Herr Müller!“, rief Breitner streng. „Sie stehen unter dringendem Tatverdacht und sind vorläufig festgenommen!“
    Nun kannte die allgemeine Heiterkeit keine Grenzen mehr. Klippstein wischte sich ausnahmsweise mal nicht die Stirn, sondern die Augen, Hellwein bat Susanne um ein Taschentuch und Petra Hansen gluckste noch Minuten später. Nach all den Tagen der Anspannung schaffte Breitner es mit dieser kurzen Einlage, Lockerheit ins Team zu bringen.
    Als alle wieder halbwegs ernst guckten, wandte sie sich an Susanne. „Woher stammt Ihre Information über diesen Rudolf? Doktor Sprenger?“
    Die kleine Staatsanwältin hatte einfach zwei und zwei zusammengezählt. Susannes Freundschaft mit Chris war kein Geheimnis, ebenso wenig wie seine Spürnase und seine Arbeit mit Prostituierten. Und was ihn mit dem Fall Seibold verband, wusste sie ohnehin. Sie schätzte den „Kollegen von der anderen Seite“ sehr. Dass sie im Gerichtssaal regelmäßig aneinandergerieten, tat ihrer gegenseitigen Hochachtung keinen

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