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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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meine neu erworbene Gelassenheit zu bewahren. Chris hätte zum Beispiel irgendetwas Peinliches tun können. Etwa morgens um vier an der einzig geöffneten Flughafenbar lautstark ein gepflegtes Pils ordern. Ein kosmisches Zeichen dieser Art, das mir etwas mehr Halt in meiner inneren Lotosblüte gegeben hätte. Auch in Chris’ Gegenwart.
    Leider tat mir das Universum nicht den kleinsten Gefallen. Und Chris auch nicht. Soweit ich es bisher aus dem Augenwinkel hatte erkennen können, sah er makellos aus und gab sich auch sonst keine Blöße. Er wirkte gleichzeitig wie ein smarter Geschäftsmann, der schon sein ganzes Leben lang in der VIP-Schlange gestanden hatte, und wie ein Teenager, der gerade sein Surfbrett in die Ecke gestellt hatte, um sich eine Stulle zu schmieren. Schokostreusel auf ungetoastetem Toastbrot.
    Seufz.

    Ich brauchte eine andere Strategie.
    Ich schloss kurz die Augen und kippelte leicht auf meinen Fußsohlen. Den festen Boden unter den Füßen spüren, den Stand, die Schwere meines Körpers. Meinen Platz auf der Welt. Hier stand ich und konnte nicht anders. Chris’ und meine Wege kreuzten sich erneut, das hatte das Universum nun mal so beschlossen. An Ausweichen war ohnehin nicht zu denken.
    Oder doch? Und was dann?
    Wenn ich ihn bewusst übersehen würde – würde er es merken?
    Mal wieder fiel mir Mirko Hansen ein, mein Schwarm aus der 11 b. Tischtennisspieler. Jeden Tag hatte ich auf dem Pausenhof in der Nähe der Tischtennisplatte herumgelungert. Nie hatte er das Wort an mich gerichtet, es sei denn, er brauchte jemanden, der ihm einen verschlagenen Ball zurückbrachte. Schließlich hatte Melli einen überzeugenden Plan ausgeheckt. Ich sollte ihn ignorieren. Dem Kerl zeigen, wie es sich anfühlte, wenn man ihn überhaupt nicht beachtete.
    Der Plan war fantastisch. Das Blöde war bloß, dass Mirko davon überhaupt nichts mitbekam. Denn schließlich beachtete er mich sowieso nicht.
    Immerhin hatte Melli damals noch Pläne für mich geschmiedet. Begeistert hatte sie mir eine große Portion Spaghetti-Eis ausgegeben, als es schließlich doch noch klappte mit Mirko.
    Und eine noch größere, als es wieder vorbei war.
    Ach, Melli. Doppel-Seufz.
    Ich spürte Bewegung um mich herum und öffnete die Augen. Chris war bis zum Schalter vorgerückt. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, dafür das der Bodenstewardess. Sie legte den Kopf für meinen Geschmack etwas zu schief und lächelte ihn zu breit an. Und das um diese Uhrzeit. Bevor ich etwas Abfälliges denken konnte, rief ich mich zur Ordnung. Schließlich war sie auch nur ein Geschöpf Gottes auf der Suche nach Liebe. Und von der Sorte kannte ich noch so eines.
    Tripel-Seufz.
    »Reisen Sie allein, Herr Müller-Nolten?«, fragte sie und hob den Blick kokett von dem interaktiven Sitzplan auf ihrem Bildschirm. Es
klang, als hätte sie gesagt: »Lass mich deine 17 F sein.« Aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein.
    »Leider ja«, gab er leichthin zurück, und so wie sie ihn anhimmelte, war ich froh, dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Ich konnte mir jetzt schon die Hochzeit der beiden vorstellen. Kleine silbrige Doppeldecker auf den Tischen, ein Brautkleid im Ibiza-Hippie-Stil und holprige, selbst gemachte Reime auf das Wort Flughafen.
    Angaffen?
    Schusswaffen?
    Chris nahm seine Bordkarte entgegen, hob sie zu einem flüchtigen Gruß und wandte sich ab in Richtung Sicherheitskontrollen. Wir rückten vor. Jetzt himmelte die Stewardess Klaus-Peter an.
    Sofort wurde ich wieder ein bisschen ruhiger. Entweder die Frau war nymphoman. Oder, viel besser: Sie liebte einfach mit Leib und Seele ihren Dienstleistungsjob.
    Morgens um vier hatten nicht nur sämtliche Flughafenbars bis auf eine geschlossen, auch die Boutiquen waren noch dicht. Ich drückte mich eine Weile vor einem Schaufenster mit bunten Crocs herum und musste an das Hausschuhregal im ostfriesischen Ashram denken. Wie lange war das her! Als ich wieder auf die Uhr sah, waren gerade einmal sieben Minuten vergangen, und aus Richtung der Preferred-Traveller-Lounge roch es unwiderstehlich nach Kaffee.
    Ich würde diese erste Wiederbegegnung mit Würde hinter mich bringen. Und mit Selbstliebe. Und mit Achtsamkeit.
    Jawoll.
    Ich betrat die Lounge, ohne nach rechts und links zu schauen. Aus dem Augenwinkel sah ich Flaschen in einem Schnapsregal in der Morgensonne bunt glitzern, dunkelgrüne Clubsessel, Tageszeitungen an hölzernen Haltern auf niedrigen Glastischchen. Stur steuerte ich die Maschine

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