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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Hagedorn
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entdeckt. Heißt Sukshma Yoga.«
    »Noch nie gehört. Was ist daran so anders?«
    »Kann ich dir sagen. Es dauert nur zehn Minuten pro Tag.«
    »Zehn Minuten? Ist das nicht ein bisschen … ich meine, geht es denn nicht eher darum, ein Gegengewicht aufzubauen zum hektischen Alltag?«
    »Schon. Aber sonst schaff ich’s gar nicht. Weißt du, was das beste ist? Manche Übungen kann ich sogar unterwegs machen. Im Auto, während der Rotphase.«
    Dann blickte sie auf die große Uhr über der Theke.
    »Ich muss los!«, rief sie. »N-TV ist interessiert an unserer Ökobilanz, und irgendein pensionierter Reisejournalist will gratis auf Kreuzfahrt. Wegen unserer langjährigen positiven Zusammenarbeit.«
    »Schön. Dann lass ihn doch.«

    »Würde ich ja. Aber seine fünf Enkelkinder will er auch noch für lau mitnehmen.«
    Weil es Anna so eilig gehabt hatte, blieb mir jetzt ein bisschen Zeit. Ich schlenderte durch die Fußgängerzone. Die Sonne war verschwunden, am Himmel ballten sich Wolken von der Farbe meiner Fußsohlen zusammen. Es roch nach Regen.
    Vor dem Einkaufszentrum war ein riesiger Wühltisch aufgebaut, auf dem Bikinis durcheinanderlagen, mit denen niemand seinen Sommer hatte verbringen wollen. Sie sahen apathisch aus, wie sie da kreuz und quer übereinander hingen, beinahe depressiv. Ich nahm kurz einen in die Hand, konnte mich aber auch nicht zu braunem Blümchenmuster in Größe 44 durchringen. Dabei tat er mir so leid. Das kam eben davon, wenn man allen Wesen im Universum Glück und Harmonie wünschte. Doch dieses Wesen konnte ich nicht einmal meiner Mutter zumuten.
    Auf dem Weg zurück vom Coffeeshop kam ich an meinem Freund, dem Patriotenpunk vorbei. Er saß unter der Markise eines Dönerladens, hielt eine Dose Bier in der Hand und grinste selig. Ich hatte immer gedacht, dass Punks von Berufs wegen düster dreinblicken müssten. Als ich ihn dort entdeckte, fiel mir plötzlich etwas ein.
    Ich ging zwei Schritte auf ihn zu, ging in die Hocke und prostete ihm mit meinem Kaffeebecher zu. Er hob grüßend sein Billigbier.
    »Hey«, sagte ich, »du hast doch mal erzählt, dass deine Freundin mit ihrem Guru nach Ibiza gegangen ist, oder?«
    Er lachte jetzt fast übermütig. »Ach ja, die gute alte Geli. Wieso?« »Na, ich fliege bald dorthin. Ich dachte mir, ich könnte mich ja mal umhören, ob jemand sie kennt. Vielleicht möchtest du ihr ja etwas sagen oder eine Nachricht zukommen lassen.«
    Er schüttelte den Kopf und grinste, dass sich zwei tiefe Grübchen in seinen Wangen bildeten. »Ach nee«, sagte er, »lass mal. Soll sie doch glücklich werden in ihrer Höhle. Ich bin es nämlich auch.«
    Im gleichen Moment ließ sich ein blasses, schwarzhaariges Mädchen neben ihm nieder, das mindestens fünf silberne Totenköpfe an verschieden langen Lederketten um den Hals baumeln hatte, und
legte besitzergreifend den Arm um den Patriotenpunk, als hätte ich ihm gerade ein Date vorgeschlagen.
    »Das ist Darky«, stellte er fröhlich vor, »sie spielt in einer Death-Metal-Band. Wir sind schon seit zweieinhalb Wochen zusammen. Seit ein paar Tagen haben wir sogar Nachwuchs bekommen.«
    Darky lüftete ihre Lederjacke, und ich konnte etwas Wuseliges mit rosa Schnäuzchen in ihrer Innentasche entdecken.
    »Darf ich vorstellen: Wolli«, sagte sie geziert, »unsere erste gemeinsame Ratte.«
    »Na dann, herzlichen Glückwunsch«, antwortete ich etwas steif und richtete mich auf. Plötzlich fühlte ich mich, als sei ich aus Versehen in einen Kreißsaal gestolpert, wo gerade eine fremde junge Familie bei ihrem Neugeborenen nach Familienähnlichkeiten suchte. So fand eben schließlich jeder irgendwann sein Glück.
    Und sei es, dass er endlich glücklich wurde mit sich selbst.
    Aber das war nicht das Schlechteste. Sogar ganz im Gegenteil. Wenn man es einmal hatte, konnte es einem keiner mehr nehmen.
    Die Sache hatte nur einen Nachteil. Meine Arme waren einfach nicht lang genug, um mich nach einem langen, harten Arbeitstag damit zu umarmen.
    Um kurz vor zwei war ich wieder zurück in der Firma, genau in dem Augenblick, als die ersten Regentropfen fielen. Als ich mein Büro erreichte, goss es in Strömen. Schräg liefen glitzernde Tropfen über die Scheibe, und auf einmal fielen mir die ersten roten und gelben Blätter an den Bäumen auf. Mitten im Sommer deutete es schon auf Herbst hin. Selbst der Leierkastenspieler dudelte jetzt eine Melodie in Moll.
    Dieser Sommer war nicht mein Sommer gewesen. Unversehens fühlte ich mich wie

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