Mantramänner
Gefühl hat mich noch selten getrogen«, verkündete Anna würdevoll und griff einhändig nach einem feuchten Kunststofftablett vom Stapel. Ich nickte stumm. Wahrscheinlich hatte sie recht. Seit der Begegnung mit dem Brezenfahrradmann hatte sich bei Nadine wirklich einiges verändert.
Dabei war sie gar nicht auf der Suche nach dem Mann fürs Leben gewesen. Wahrscheinlich war es genau das.
»Und sonst?«, fragte ich, während ich nach Besteck suchte – natürlich waren die Messer wieder aus. »Was macht der neue Job?«
Anna strahlte. »Total spannend. Wir hatten gerade noch eine Anfrage von einem großen Boulevardblatt. Die suchen sexy Reiseverkäuferinnen, die ihre Lieblingsziele vorstellen.«
»Auweia. Und wie werden die fotografiert? Oben ohne?«
»Oh«, Anna blickte bestürzt drein, »das hab ich jetzt gar nicht gefragt. Ich hab ihnen mal die Durchwahl von Lisa-Marie gegeben.«
»Aber warn sie vorher. Die soll genau nachfragen, was die Reporter vorhaben. Man kann im Umgang mit Medien nicht vorsichtig genug sein«, sagte ich, während ich mein Tablett mit der bleichen Wurst in Richtung Kasse jonglierte.
Beim Essen erzählte ich Anna von meiner Reiseeinladung, und sie sah mich unergründlich an. Dann senkte sie den Blick und wischte konzentriert am Serviettenhalter aus Aluminium herum.
»Ich weiß«, sagte sie schließlich mit einem seltsamen Zögern in der Stimme, »diese Info geht ja immer auch an die Presseabteilung. Heute Morgen habe ich das Memo bekommen, in dem alles drinsteht. Aber sag mal, Evke …«, sie legte den Kopf schief, »ist das denn okay für dich?«
»Okay? Natürlich ist das okay, ich hatte doch sonst noch gar keinen Urlaub in diesem Sommer. Eigentlich hatte ich ja gedacht, ich könnte mit Melli zwei Wochen wegfahren, aber … na, du weißt ja. Wir verstehen uns gerade nicht so gut.«
Sie nickte mitfühlend. »Schon. Das meinte ich auch gar nicht.«
»Sondern?«
Sie schüttelte den Kopf und hieb ihre Gabel in die Tofuwurst, als sei sie nicht ganz sicher, ob das Ding vielleicht noch lebte. Dann wechselte sie abrupt das Thema.
»Erzähl mal«, sagte sie betont munter, »was macht denn eigentlich dein Yogatraining? Bist du überhaupt noch dabei nach dieser schlimmen Sache mit diesem … wie hieß er noch mal?«
»Und ob ich dabei bin«, antwortete ich, »dazu brauche ich Siv aber nicht. Ich habe sogar gemerkt, dass ich überhaupt keinen Lehrer brauche. Am liebsten mache ich Yoga jetzt ganz allein im Park, frühmorgens, wenn noch niemand unterwegs ist bis auf ein paar Jogger und ein paar Leute mit ihren Hunden.«
»Nadine hat mir erzählt, ihr wolltet ihm noch mal so einen richtigen Denkzettel verpassen«, sagte Anna neugierig, »eine Verabredung, zu der ihr dann beide erscheint und ihn in Erklärungsnöte bringt, oder was habt ihr euch ausgedacht?«
Ich zuckte die Achseln. »Ja. Haben wir. Hat aber … es hat nicht richtig funktioniert. Wenigstens nicht so, wie wir es uns ausgedacht haben. Diese Yogatypen … oder vielleicht ganz generell die Männer … ach, du weißt schon.«
»Männer, was weiß ich?« Anna schob angewidert die Bestandteile ihrer Tofuwurst auf dem Teller herum.
»Männer sind irgendwie nicht so mein Ding. Wenigstens nicht im Moment. Ich hab anderes im Kopf«, schloss ich.
Anna sah mich mitfühlend an. »Die Sache mit Melli?«
Ich seufzte. »Ja. Wir haben ein einziges Mal gesimst, dann habe ich ihr Blumen geschickt. Zwei Mal. Das teuerste Arrangement, das man beim Blumenversand online bestellen kann, mit der darauf abgestimmten Tut-mir-leid-Karte. Aber sie ist immer noch nicht bereit, mich zu treffen. Hast du sie in letzter Zeit gesehen?«
Anna nickte. »Letztes Wochenende, im Baumarkt. Ich war mit Tobi da, er wollte sich Verteilersteckdosen anschauen. Er hat da nämlich so eine Wohnung an der Hand, für uns. Das mit den Anschlüssen ist nicht ideal, aber er sagt, mit der richtigen Konstruktion … na, jedenfalls, Melli und Steve waren auch da. Dübel kaufen, damit er ihren Altar an der Wand festschrauben kann. Der ist nämlich letzte Woche Steve auf den Fuß gefallen, als er nachts mal rausmusste. Und das soll nicht noch mal passieren.«
»Sag mal, Anna? Was ist eigentlich mit dir? Die letzten Dienstage warst du gar nicht mehr dabei, bei meinen Stunden in der Kantine!«
»Tut mir echt leid«, sagte Anna und legte dabei ein geometrisches Muster aus Tofuwurst und Bratkartoffeln, »der Job. Ich schaff das einfach nicht mehr. Dafür hab ich jetzt was Neues
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