Mantramänner
schwer und 51 cm groß«, las ich vor. »Dann steht da noch KU 35. Keine Ahnung, was das bedeutet.«
»Kopfumfang«, sagte Chris und legte von hinten sein Kinn auf meine Schulter.
»Und er heißt Fynn«, sagte ich. »Mit Ypsilon.«
»Fynn«, wiederholte Chris und nickte gegen meine Schulter, »schöner Name.«
»Ja«, sagte ich. »Das finde ich auch.«
MAYURASANA
Mayurasana (Der Pfau) wirkt stark aktivierend und macht glücklich. Er hilft, die Fülle des Lebens in seiner ganzen Schönheit zu erkennen und dankbar anzunehmen.
»Geht das da vorn noch mal weiter?«
Im Tonfall war die Frage vielleicht etwas aggressiv, aber in der Sache berechtigt. Seit gefühlten fünf Minuten standen wir draußen in der Schlange, während die Drehtür zum Sunny-Side-Eingang noch immer blockiert war. Und nun hatte auch noch so ein feiner norddeutscher März-Nieselregen eingesetzt, als wären himmlische Wesen dort oben mit einem höllischen Zerstäuber zugange.
Mit der rechten Hand zog ich an der marineblauen Kapuze des Babys auf meinem Arm und berührte dabei seinen Hinterkopf, ein Körperteil, der mich jedes Mal besonders rührte. Diese Familienähnlichkeit. Diese ausgeprägte Rundung, typisch Frank, und selbst die Form der Wirbel am Haaransatz kam mir vertraut vor. Das Baby streckte mir ein rundes Zünglein entgegen, dann runzelte es besorgt seine kleine Stirn.
Auch diesen Gesichtsausdruck kannte ich nur zu gut. So sah Papa aus, wenn er im Lokal zu lange auf einen Kellner warten musste. Kein Wunder, dass sein Sohn genauso dreinschauen konnte.
»Tja, mein Schatz«, sagte ich, »deine Mama hat viele Qualitäten, aber mit Drehtüren steht sie auf Kriegsfuß.«
Gerade hatte sich der Babymund zu einem Protestschrei verzogen, da fasste Chris entschlossen über mich drüber, fummelte an
der Schnullerkette und steckte dem Kleinen seinen Sauger in den Mund.
»Nicht traurig sein, Fynn, mein Freund«, sagte er, »deine Mami kommt wieder. Kann sich nur um Stunden handeln.«
Drinnen hatten Ilona, die Empfangsdame und mein Vater schließlich mit vereinten Kräften den total verkeilten Kinderwagen aus der Drehtür befreit, und der stockende Verkehr kam sofort wieder ins Fließen. Im nächsten Moment standen auch Chris, Fynn und ich im Foyer.
»Danke fürs Halten«, sagte Ilona und streckte die Arme sehnsüchtig ihrem Sohn entgegen, als hätte sie ihn seit Stunden nicht gesehen.
»Immer musst du ihn nehmen«, beschwerte sich mein Vater von der anderen Seite, »so kann ich doch nie eine tiefe Bindung zu ihm aufbauen!«
»Mach dir keine Sorgen, Papa«, sagte ich, »bleibt doch alles in der Familie. Und außerdem«, ich knuffte ihn sanft mit dem Ellenbogen, »wieso bist du überhaupt hier? Sunny-Side-Partys sind doch nie plus eins!«
»Aber ich muss doch meine zukünftige Frau bei der Rückkehr in den Job unterstützen«, sagte er entrüstet. »Und außerdem bin ich mittlerweile von zwei Seiten verwandt mit eurem Laden!«
Chris und ich gaben unsere Mäntel an der Garderobe ab und bahnten uns einen Weg durch die gut gelaunte Menge in die Kantine, die wie jedes Jahr zur Tanzfläche mit Büfett umgebaut worden war. Weit kamen wir nicht, schon im Eingang entdeckte uns Frau Stöver und presste uns abwechselnd an ihren mächtigen Busen.
»Na, ihr zwei Turteltäubchen?«, krähte sie übermütig. »Ihr seht ja richtig urlaubsfrisch aus! Wie war’s auf Ibiza?«
Chris nahm meine Hand und drückte sie liebevoll.
»Wunderbar«, sagte ich, »um diese Jahreszeit hat man die Insel ja fast für sich allein. Und wir mussten ja alles noch einmal nachreisen, was wir letztes Jahr verpasst haben.«
»Aber da wart ihr doch auch schon gemeinsam da, oder?«
»Schon, Frau Stöver. Aber da – wie soll ich sagen …«
»… da kannten wir uns noch nicht so gut«, ergänzte Chris.
Die Idee mit Ibiza war uns am Neujahrsmorgen gekommen, als Chris und ich leicht verpeilt auf dem blauen Sofa herumgelungert und sehr viel Milchschaum mit sehr wenig Espresso getrunken hatten. »Es gibt nur eine Sache, die ich bedauere«, hatte er gesagt und meinen Nacken gestreichelt. »Dass wir damals dieses Honeymoon-Programm hatten auf der Insel und es überhaupt nicht geteilt haben. « »Und ich weiß noch immer nicht, was ich mit meiner Woche Resturlaub anfangen soll«, hatte ich geseufzt. »Aber am 29. März müssen wir zurück sein in Deutschland!«, hatte Chris gesagt. »Da ist die Sunny-Side-Party. Und das ist immerhin so etwas wie unser Jahrestag. «
»Ist es denn
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