Mantramänner
die Liebesbeziehung zu mir selbst dann doch recht eintönig. Kaum war es hell, wachte ich aus unruhigen Träumen auf, die alle auf einem blauen Sofa spielten und nach Chris rochen.
Völlig gerädert ging ich dann um halb acht im Yogadress zur Early-Morning-Stunde in ein sonnendurchflutetes Studio im ersten Stock und ließ mich von einer winzig kleinen Spanierin mit Kringellocken und einem kindlichen Körper beschimpfen, weil ich meine Asanas nicht sorgfältig genug ausführte. Sie war Anhängerin der Yogaschule von B. K. S. Yengar, und ihr großer Meister legte großen Wert auf millimetergenaue Stellungen.
Am ersten Morgen hatte sie mir sogar verboten, in den Schulterstand zu gehen. »Note laike sise!«, hatte sie in ihrem gleichzeitig harten und weichen Spanisch-Englisch gerufen, und ich hatte ihr wohlweislich verschwiegen, dass ich nicht nur Schülerin war, sondern auch Lehrerin. Es war beinahe noch unangenehmer als der Moment, in dem ich in der Kantine gezeigt hatte, dass ich meine Handflächen
nicht auf dem Fußboden ablegen konnte. Frau Rosenkötter ließ grüßen.
Seitdem verbrachte ich die meiste Zeit in der »Stellung des Kindes«, mit angezogenen Beinen auf dem Boden kauernd. Manchmal schlief ich darüber ein. Kein Wunder. Schließlich hatte ich die halbe Nacht wach gelegen und war todmüde.
Zudem konnte ich mich hier wenigstens in einer von vierundzwanzig Stunden entspannen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet Chris hier hereinplatzen würde, lag im Minusbereich.
Und dann kam der letzte Abend.
Schon wieder hatten es die Organisatoren ekelhaft gut mit uns gemeint. Zwar hatte ich immer geglaubt, ich sei die einzige Person mit einer Vorliebe für spanische Dachterrassen. Aber Miguel, der kleine Lockige mit den außergewöhnlich vielen Zähnen, hatte wohl auch schon mal davon gehört. Jedenfalls fanden wir beim Essen in einem Lokal in der Altstadt jeder eine persönliche Einladung auf dem Tisch.
»Party on the Sunny Side of Life«, prangte in goldenen Buchstaben auf der gefalteten Karte. Ab zweiundzwanzig Uhr sollten wir uns oben auf dem Dach einfinden, zu einem Abschiedscocktail und Musik von einem berühmten DJ, der morgen einen großen Gig in einem der Techno-Clubs hatte und ausnahmsweise für uns auflegen würde. Wahrscheinlich war er im gleichen Hotel untergebracht und brauchte uns als Versuchskaninchen. Wenn seine Musik sogar fünfzigjährige Marketingleiter zum Tanzen bringen würde, so dachte er sich vermutlich, dann sollte er es beim zwanzigjährigen Partypublikum deutlich leichter haben.
Darunter stand noch etwas, in winzigen Buchstaben. Dresscode: White as the night.
Panisch ging ich in Gedanken mein Reisegepäck durch. Ich hatte überhaupt nichts Weißes dabei.
Oder halt: Ich hatte etwas. Meinen Yogadress. Die Hose und das Wickelshirt mit dem OM-Aufdruck. War zwar nicht das, was ich üblicherweise für eine Party getragen hätte. Aber wenigstens die Farbe stimmte.
Über dem Tisch trafen sich Chris und mein Blick, und er schien
etwas sagen zu wollen. Jedenfalls öffnete er die Lippen und schloss sie wieder, wie ein Koi-Karpfen, der nach Luft schnappte. Ich sah ihn fragend an, doch dann winkte er ab. Bald kam eine Platte mit ölig eingelegtem Tintenfisch, Scampi und Muscheln, und gefräßiges Schweigen legte sich schwer über unseren Tisch.
Um Viertel vor zehn stand ich vor dem Kleiderschrank in meinem Zimmer und dachte über zwei Probleme nach.
Das eine betraf meine Füße. Ich hatte nämlich keine weißen Schuhe. Nicht einmal annähernd. Stattdessen hatte ich mich für ein paar schwarze Römersandalen entschieden, die ich gestern im spanischen Schlussverkauf erstanden hatte. Aber so richtig passend waren die auch nicht. An nackten Waden sahen sie gut aus, aber unter einer Hose bildeten die Wildlederfransen einen hässlichen Wulst. Einzige Alternative war barfuß gehen. Und bekanntlich zog ich meine Füße nicht für jeden aus. In einer Yogastunde mochten sie Teil einer großen, demokratischen Versammlung von Gleichhässlichen sein, aber bei einer Party standen sie nicht auf der Gästeliste.
Mein zweites Problem war deutlich größer, hatte blonde Locken, ausgeprägte Kieferknochen und sexy Hände.
Wenn Chris und ich nach dieser Reise einfach wieder auseinandergehen würden, dann wäre es diesmal für immer. Von den vielen Dingen, die keiner von uns aussprach, war dies das allerklarste. Eine dritte Chance würde es nicht geben. Nicht mal auf dem Betriebsfest im nächsten
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