Mantramänner
schöne, dampfende, chiligewürzte Pampe mit Reis würde den trüben Tag vielleicht doch noch retten.
»Och nö«, entfuhr es mir. Da hatte ich mich zu früh gefreut. Hier ging es überhaupt nicht ums Essen. Sondern schon wieder um Yoga.
Mehr Gelassenheit durch die Kraft der Stille stand über der Seite und darunter verschiedene Kursangebote in einem Zentrum gleich bei mir um die Ecke. Hatha Yoga für Anfänger. Jeden Dienstag und Donnerstag um neunzehn Uhr.
War das nun Zufall? Schicksal? Oder einfach nur blöd? Nachdenklich rieb ich das Faltblatt zwischen meinen Fingern.
»Es geht mich ja nichts an, aber über diese Fragen solltest du vielleicht einmal nachdenken«, hörte ich plötzlich jemanden sagen.
Ich fuhr herum. War da noch jemand in meiner Wohnung?
»Ich wollte dich nicht erschrecken.« Schon wieder diese sanfte Stimme. Jetzt war es nicht mehr zu überhören: Sie kam direkt aus Richtung meiner Hand, in der ich noch immer den Flyer hielt.
»Namaste« , sagte Buddha und zwinkerte mir aus seinen freundlichen Augen zu. »Ich dachte mir, wenn du schon mit mir redest, kann ich dir ja auch antworten.«
»Wie jetzt?«, flüsterte ich.
»Du hast es ja selbst gesagt. Du solltest mal darüber nachdenken, ob es Zufall ist oder Schicksal, dass du ausgerechnet heute einen Prospekt mit Yogakursen in deinem Flur findest.«
»Ich weiß schon«, sagte ich. »Wegen Mellis Geburtstag. Du meinst also auch, ich sollte mal einen Versuch machen? Damit ich wieder weiß, worüber sie und die anderen reden?«
Es kam mir mittlerweile gar nicht mehr so merkwürdig vor, mich mit dem Papiergötzen zu unterhalten. Fing es so an? Wurde ich langsam wunderlich?
Wurde ich etwa wie meine Mutter?
»Ja«, sagte Buddha bedächtig, »das ist eine weise Entscheidung, aber aus einem wenig weisen Grund.«
»Wie jetzt?«
»Diese seltsam verstümmelte Frage hast du mir schon mal gestellt.«
Ich schämte mich ein bisschen. Immerhin war er so eine Art Gott. Da konnte ich mich in der Tat um eine etwas gewähltere Ausdrucksweise bemühen.
Aber immerhin. Im Gegensatz zu Steve brauchte der wenigstens kein Lexikon, um mich zu verstehen.
»Du willst mir also sagen, ich soll mit Yoga anfangen – aber nicht wegen meiner Freundinnen?« Geschafft. Sogar mit korrektem Genitiv. Ich war gespannt, ob Buddha das bemerken würde.
Den interessierten allerdings eher inhaltliche Fragen.
»Meinst du nicht, dir täte ein bisschen innere Gelassenheit ganz gut?«
Wie jetzt, lag mir auf der Zunge, aber ich schluckte es noch rechtzeitig hinunter.
»Du meinst, ich bin nicht gelassen genug?«
»Nun ja«, Buddha senkte seine schweren Wimpern, »denk selbst mal darüber nach. Du trägst zornige Gedanken in deinem Herzen. Gegen deinen Chef. Gegen Frau Stöver aus der Lohnbuchhaltung. Sogar gegen das arme Mädchen, das seine Bärchentasse vermisst. Von deinen Kunden wollen wir gar nicht reden.«
Mir fiel wieder ein, wie ich Herrn Hinterhuber mithilfe einer Kinderschaufel in eine Sandskulptur verwandelt hatte. Jetzt war es mir ein bisschen unangenehm.
»Das ist aber noch nicht alles, wenn ich dir das mal so sagen darf.«
»Was denn noch?«
Meine Frage hatte vielleicht etwas aggressiv geklungen, aber das ignorierte Buddha geflissentlich.
»Wie ist denn das mit der Liebe? Ich meine, mit der fleischlichen?«
Das hatte gesessen. Sofort fiel mir wieder die vorletzte Nacht ein. Das kleine bisschen, das noch fehlte. Und dann die letzte Nacht. Mein Mailboxmonolog.
Dieses große Vielzuviel.
Innere Gelassenheit sah anders aus. Das wusste ich sogar ohne Yogaerfahrung.
»Du meinst, wenn ich Yoga mache, dann schützt mich das vor blöden Fehlern?«
»Das ist nicht meine Art, Dinge zu betrachten«, sagte Buddha. Jetzt sah er ein wenig arrogant aus und wurde mir schlagartig weniger
sympathisch. »Es geht viel eher um Achtsamkeit. Die eigenen Gefühle und die des Gegenübers wahrnehmen.«
Fernöstliches Spaßbrötchen. Meine eigenen Gefühle wahrzunehmen, damit hatte ich ja nun wirklich keine Probleme. Allerdings: Was Chris anging, war ich mir nicht so sicher.
Falsch. Ich war mir sicher.
Ich hatte es längst vergeigt.
Und jetzt wollte dieses Männlein mir weismachen, dass Yoga mich vor neuen Fehlstarts dieser Art bewahren könnte? Dass ich mich nicht mehr so überstürzt verlieben würde? Dass ich außerdem netter werden konnte zu meinen Kollegen, meinen Kunden, dass ich meinen Chef nicht mehr so hassen musste? Und dabei noch anderthalb Kilo abnehmen?
Hm. Das
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